Safer Internet Day 2019 Warum Menschen Hass im Netz streuen – und was dagegen helfen soll

Von Mark Otten | 05.02.2019, 12:59 Uhr

Der Safer Internet Day 2019 steht unter dem Sammelbegriff #LauterAlsHass. Hetze im Internet ist weiterhin ein Problem – und ein von Facebook vorgeschlagenes Mittel hält eine Forscherin für überschätzt.

Seit 2008 findet der Aktionstag "Safer Internet Day" jährlich statt. Das Ziel der Initiatoren ist ein "besseres Internet" und mehr Kompetenz für die Nutzer im Umgang mit den Internet. Für den Safer Internet Day 2019 liegt ein Schwerpunkt auf dem Hass im Netz. Dazu haben die Veranstalter unter anderem drei Youtuber zu ihren Erfahrungen und Lösungsvorschlägen im Umgang mit Hass im Internet befragt. Pocket Hazel, Rob Bubble und Silvi Carlsson berichten von rassistischen Beleidigungen und übelsten Beschimpfungen. (Weiterlesen: So schützen Sie Whatsapp-Chats vor unerwünschten Blicken)

Das ist auch für Millionen von Internetnutzern Alltag. Eine Forsastudie, die die Landesanstalt für Medien in Nordrhein-Westfalen seit 2016 in Auftrag gibt, zeigt jedoch, dass immer Menschen mit Hass im Internet in Kontakt kommen. Gab es 2016 noch 65 Prozent der Befragten an, dass sie Hasskommentare im Netz sehen, waren 2017 schon 67 Prozent und 2018 gar 78 Prozent.

Hasskommentatoren: Lautstarke Minderheit

Studien belegen, dass der große Teil der Hassnachrichten von einem sehr kleinen Teil der Internetnutzer stammt. Lena Frischlich, Psychologin am Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Münster, sagte unserer Redaktion: "Dass wir immer noch so oft denken, Meinungen im Netz seien 'die Stimme des Volkes' ist schlicht empirisch nicht haltbar." (Weiterlesen: Wie der Bund Hasskommentaren im Internet entgegenwirken will)

Hass im Netz in drei Formen

Hass ist nicht gleich Hass. Forscher unterscheiden in der Regel drei Formen:

  • Cyberbullying/Cybermobbing: Angriffe, bei denen Menschen persönlich attackiert werden.
  • Trollen: Das gezielte Stören von Konversationen, bei dem auch Individuen zum Opfer werden können.
  • Hassrede: Kommunikative Angriffe, bei denen die Opfer aufgrund ihrer sozialen Gruppe angegriffen werden. Klassische Beispiele sind Antisemitismus, Rassismus, Muslimfeindlichkeit, oder auch Sexismus.

Warum Menschen hasserfüllte Kommentare absetzen

Die Hasskommentatoren unterscheiden sich in ihren Absichten und der Motivation. Die slowenischen Forscher Karmen Erjavec und Melita Poler Kovačič unterteilen die Aggressoren in vier Kategorien:

  • Die Spieler, die vor allem Spaß am Stören und der empörten Redaktion anderer haben. Ihre Motivation wird in der Suche nach sozialer Macht und Vergnügen am Schmerz vermutet.
  • Die Soldaten, die für ihre Hasskommentare bezahlt oder beauftragt werden. Ihre Motivation ist vor allem finanzieller Natur.
  • Die Gläubigen, die sich in einer Art Krieg wähnen und die andere Seite auch im Internet bekämpfen wollen. Sie rechtfertigen ihre Aggression als Verteidigung der eigenen Gruppe. Dort setzt Propaganda durch gezieltes Angst machen und mit Verschwörungstheorien an
    .
  • Die Wachhunde, die auf soziale Missstände aufmerksam machen wollen.

Hilft die Klarnamenpflicht gegen Hass im Netz?

Facebook hat seit vielen Jahren Probleme mit Hassrede und der Verbreitung von Verschwörungstheorien. Die Entscheider des sozialen Netzwerks setzten im Kampf dagegen auf zwei Faktoren: Die Klarnamenpflicht und die sogenannte "Counterspeech", also das Kontern der Hasskommentare durch andere Nutzer. Das Kontern könne durchaus als Mittel gegen Hass wirken, so Frischlich, besonders dann, wenn die Gegenrede nicht zu extrem, dafür aber beständig, moderat und in großer Zahl geäußert wird. Laut Frischlich sei der positive Effekt der Klarnamenpflicht auf Webseiten größer als bei Facebook, wo auch mit vollem Namen öffentlich Hass verbreitet werde. Grundsätzlich sei der Namenszwang aber überschätzt. (Weiterlesen: Warum hysterische Eltern mit Gerüchten über Vorfälle an Schulen Panik verbreiten)

Die Mittel gegen Hass im Netz

Ein Allheilmittel im Umgang mit Hasskommentatoren gibt es nicht, denn dafür sind die Formen und Motive zu verschieden. Die Youtuber sprechen in ihren Videos zum Safer Internet Day 2019 unter anderem davon, dass sie über Hasskommentare oft lachen und ansonsten nicht weiter reagieren würden. Diese Strategien hält Psychologin Frischlich nur bedingt für geeignet.

Zwar helfe das Ignorieren von Hasskommentaren gegen die Spieler, die nur zur Freude stören; allerdings bliebe der Hass dadurch unkommentiert, was Opfer weiter schwächt. Keine Lösung ist für Frischlich, das Veralbern der Kommentatoren oder gar das Zurückpöbeln, da das lediglich zur Eskalation der Unterhaltung beitrage. Die Forscherin sagte: "Das Netz ist kein rechtsfreier Raum." Deshalb sollte Nutzer klare Grenzüberschreitungen melden. Zum einen bieten die meisten Plattformen eigene Meldefunktionen, auch auf der Webseite jugendschutz.net finden Nutzer eine Meldestelle. Verstöße wegen Volksverhetzung ahndet jedoch die Polizei. (Weiterlesen: Hassreden und Extremismus? Plattformen lehnen viele Beschwerden ab)

Hassrede – die rechtliche Lage

Hassrede ist kein juristisch definierter Begriff. Grundsätzlich darf jeder sagen, was er möchte. Das Rechtssystem stellt die Meinungsfreiheit unter den verfassungsrechtlichen Schutz des Artikel 5, Absatz 1 Grundgesetz (GG) und räumt diesem Recht damit höchsten Rang ein. Darunter fallen nicht nur wertende Aussagen, sondern auch wahre Tatsachenbehauptungen, soweit sie zur Meinungsbildung dienen können. Aber das Recht zur freien Meinungsäußerung gilt nicht uneingeschränkt: Wird die Menschenwürde oder das Persönlichkeitsrecht verletzt, oder herabwürdigende Schmähkritik geäußert, kann ein Betroffener dagegen rechtlich vorgehen.

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