Elektronische Helfer machen es möglich, das verloren gegangene Portmonee oder verspätetes Fluggepäck minutiös zu verfolgen – lustig ist das indes nicht, wie unsere Autorin gerade selbst erlebt.
Es war ein Geschenk, dessen Sinn sich mir lange nicht erschloss: ein AirTag. Ein Gegenstand in der Größe eines Zwei-Euro-Stücks, mit dem sich verlegte Gegenstände wieder aufspüren lassen sollen. Tatsächlich waren mir bisher aber weder Portmonee noch Autoschlüssel abhandengekommen – was also sollte ich damit anfangen?
Jetzt, im Urlaub, fand sich doch eine Möglichkeit, zumindest auszuprobieren, was das neue Spielzeug alles kann. In der Seitentasche des Koffers sollte es mir das gute Gefühl verleihen, dass mein Gepäck immer in meiner Nähe war. Tatsächlich konnte ich noch vor dem ersten Flug in der „Wo ist?“-App auf meinem Smartphone verfolgen, wie „klik“ – so hatte ich den kleinen elektronischen Helfer getauft – sich durch die Katakomben des Hamburger Flughafens auf unsere Maschine zubewegte. Auch später beim Umstieg in den Langstreckenflieger war alles bestens: klik kam auf einem Gepäckwagen immer näher und verschwand schließlich im Bauch des Airbus – und ich war quasi live dabei.
Der AirTag ist ein Mini-Sender. Das von ihm ausgesandte sichere Bluetooth Signal können Geräte aus dem „Wo ist?“ Netzwerk erkennen, wenn sie in der Nähe sind – zu dem Netzwerk gehören alle Apple-Geräte, auf denen die „Wo ist“-App (englisch: Find my...) installiert ist. Diese Geräte schicken, ohne dass ihr Besitzer etwas davon bemerkt, den Standort des AirTags an die iCloud, der Besitzer des Gerätes sieht ihn daraufhin in der „Wo ist?“ App seines Smartphones auf einer Karte. Der gesamte Prozess ist anonym und verschlüsselt.
Gepäck-Tracker gibt es auch von einer Reihe anderer Hersteller. Sie senden und empfangen GPS-Signale, die über eine App oder eine Webseite sowie das Mobilfunknetz weitergeleitet werden.
Im Urlaub selbst erschien dann in schöner Regelmäßigkeit der Schriftzug „klik wurde zurückgelassen“ auf meinem Display – kein Grund zur Beunruhigung, da der Koffer ja auch tatsächlich im Hotel geblieben war. Als es wieder nach Hause ging, schenkte ich dem Hinweis kaum noch Beachtung – bis ich schließlich nach zwei Zwischenstopps am Sonnabend vor Pfingsten vor dem gerade abgeschalteten Gepäckbank auf dem Hamburger Flughafen stand. Zwei Koffer lagen noch darauf, aber nicht meiner.
„klik wurde zurückgelassen“ bekam plötzlich eine ganz andere Bedeutung. Immerhin: Noch bevor ich die Gepäckverlust-Meldung aufgab, konnte mir meine App schon Details nennen. Zwischen klik und mir lagen jetzt 744 Kilometer, im oder am Terminal 2 des Flughafens London Heathrow war er zuletzt gesehen worden.
Der Gepäckermittlung des Flughafens immer einen Schritt voraus
Stunden später hatten auch die Mitarbeiter des Hamburger Flughafens diese Spur aufgenommen. Über den Link zur Gepäcknachverfolgung, der mir zugeschickt wurde, erfuhr ich noch am Sonnabend, dass mein Koffer „lokalisiert“ wurde. Am Sonntag erfuhr ich dort dann, was ich dank meines kleinen Spions längst wusste: Der Koffer war in Hamburg angekommen und wurde zur Auslieferung vorbereitet. Seitdem gab es vom Flughafen keine neuen Nachrichten – dafür aber immer, wenn jemand mit einem Handy in die Nähe meines Koffers kam, in meiner „Wo ist“-App.
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Dort konnte ich nachvollziehen, dass das schmerzlich vermisste Gepäckstück zunächst einige Zeit in der Nähe der Gepäckbänder stand und dann offenbar in einem Fahrzeug gute 36 Stunden auf einem der Parkplätze unmittelbar vor den Terminals verbrachte.
Erst am Dienstagvormittag bewegte es sich ein paar Kilometer weiter, ich vermute zum Zoll, für den hatte ich nämlich noch am Sonntag eine Erklärung über den Inhalt des Koffers nachgereicht. Der Zwischenstopp war jedenfalls vergleichsweise kurz – dann ging es erneut einige Kilometer weiter nach Hamburg-Billbrook.

Und da steht der Koffer samt klik jetzt, wo ich diese Zeilen schreibe, schon den dritten Tag. Alle paar Stunden bringt offenbar jemand mit einem Handy in der Tasche ein weiteres Gepäckstück in die Halle. Dann bekomme ich in der App ein neues Signal. An der Adresse, die mir angezeigt wird, hat laut Google ein Logistikdienstleister seinen Sitz. Vermutlich werden dort jetzt so lange verspätet eingetroffene Gepäckstücke gesammelt, bis ein Transporter nach MV voll ist – und das dauert offenbar.
Ja, moderne Technik ist toll. Im konkreten Fall offenbart sie mir aber nur, was ich gar nicht wissen will – oder richtiger: was ich schon lange weiß: nämlich, dass Deutschland eine Servicewüste ist.
klik, ich vermisse dich!