Im „Tatort“ ist die „Good Cop/Bad Cop“-Strategie Standard. Klappt sie auch in der Erziehung? Ein Selbstversuch.
In der vergangenen Woche hat unsere Elternkolumnistin Corinna Berghahn die Hortsuche im Tonfall des Horrorfilms geschildert und ihren Kollegen gefragt: „Wer von Euch beiden ist der strengere Elternteil?“. Dies ist Daniel Benedicts Antwort:
Liebe Corinna!
Bei der Frage nach dem strengeren Elternteil denke ich immer an die „Good Cop/Bad Cop“-Strategie. Logisch. Medien prägen unser Weltbild. Und warum sollte der Polizeifilm beim Umgang mit Kindern ein schlechterer Ratgeber sein als beliebte Pädagogik-Formate wie die „Supernanny“ oder der „Hundeprofi“? Die Botschaft ist überall gleich: Ohne Berechenbarkeit und Konsequenz geht gar nichts. Und was wäre berechenbarer als der „Tatort“?
Tatsächlich hat Erziehungsarbeit viel mit der Überführung von Wiederholungstätern zu tun. („Wer hat hier wieder unter den Esstisch gekackt?“) Trotzdem funktioniert die Aufteilung von Eltern in nette und fiese Polizisten nicht. Wo ist der Unterschied? Klassische Ermittlerteams wollen abends nicht mit dem süßen Schwerverbrecher schmusen. Eltern schon, und falls nicht einer der beiden von Natur aus ein Scheusal ist, wird niemand freiwillig in die Rolle des Bad Cops schlüpfen.
Wo Vater und Mutter beide beliebt sein wollen, kann man allerdings kaum noch von Erziehung sprechen. Wir haben uns deshalb zwei windige Notlügen zurechtgelegt. 1. Erziehung funktioniert eh nicht über künstliche Regeln, sondern über das Vorbild der Eltern. 2. Tischmanieren sind uns egal, wir wollen vor allem empathische Kinder. Streng sind wir deshalb nur beim Sozialverhalten. Wenn unsere Jungs sich streiten, verlangen wir ihnen ein großes Repertoire an Trost- und Versöhnungsritualen ab. Der Kleine musste sich schon als Neugeborener entschuldigen, damit der Große es auch lernt. Ansonsten beschränkt sich unsere Erziehungsleistung darauf, dass wir uns vor den Kindern nur ganz wenig anschnauzen.
Nach drei Jahren mit Kind ist unsere Küche allerdings in einem Zustand, der mich das Thema Tischsitten überdenken lässt. Überhaupt häufen sich bei den Kindern lästige Verhaltensweisen, die sie nach der Vorbildthese nie hätten lernen dürfen. Mein Dreijähriger will beispielsweise jeden Schritt getragen werden, bis rauf in die Wohnung. Abgeguckt haben kann er sich das nirgendwo. Seine Mutter trage ich ja auch nie die Treppe rauf. (Dritter Stock, Altbau.) Wenn mein Kind getragen werden will, erpresst es mich mit Geschrei. Jetzt wäre meine Konsequenz gefragt, die leider weniger ausgeprägt ist als mein Lärmempfinden. Trotzdem lasse ihn neuerdings auf der Straße sitzen und rumzetern, bis er von selbst kommt. Was macht mich auf einmal zum guten Erzieher? Dass ich selbst erzogen werde. Meiner Frau werden die Kinder zu schwer. Ich darf deshalb auch nicht mehr tragen.
Herzliche Grüße!
Dein Daniel
PS Boykottieren auch Eure Kinder die Zeitumstellung?
Das Buch zur Kolumne gibt es jetzt auch:
Daniel Benedict/Corinna Berghahn: „Vater, Mutter, Kind – 99 Elternbriefe aus dem Alltag.“ Das Buch kostet 19,99 Euro und ist erhältlich in den Geschäftsstellen Ihrer Tageszeitung, online unter noz.de/shop sowie telefonisch unter 05 41/310-10 44 (Mo.–Fr. 9–16 Uhr).