Das Thema treibt die Menschen im Norden um. Wir haben bei unserem Livestream unzählige Mails mit Fragen von Lesern und Zuschauern erhalten. Unsere Experten waren sich in einem Punkt einig: Robert Habecks Pläne sind kaum umsetzbar. Was Hausbesitzer und Mieter jetzt wissen müssen.
„Wärmepumpe – Chance oder Albtraum?“ – darüber hat unser Moderator Michael Clasen mit vier Experten aus der Energiebranche diskutiert. Wir haben die wichtigsten Fragen und Antworten für Sie zusammengefasst.
Unsere Experten sind
- Jürgen Leppig, Vorsitzender des bundesweiten Energieberaterverbands GIH
- Thomas Christoph, Schleswig-Holsteins Landesinnungsmeister des Fachverbands Sanitär Heizung Klima
- Jochen Brückmann, Präsident des Verbandes Deutscher Grundstücksnutzer
- Joerg Bremicker vom Wärmepumpen-Hersteller Vaillant
Wie groß ist die Verunsicherung in der Bevölkerung durch das geplante Öl- und Gas-Heizungsverbot bei Neueinbauten ab 2024 ?
Alle vier Experten bestätigen, dass viele Bürger und Kunden stark verunsichert seien. „Bei uns ist Land unter”, sagt Jürgen Leppig, Vorsitzender des bundesweiten Energieberaterverbands GIH, angesichts zahlreicher Anfragen. „Viele Kunden rufen an und fragen, ob sie in ihren Gebäuden überhaupt eine Wärmepumpe einbauen könnten.“ Das sei lange Zeit nur ein Randthema in der Energieberatung gewesen. „Mittlerweile ist das Thema Heizung das Thema schlechthin.”
„Bei unseren Kundeforen ist auch Land unter“, ergänzt Joerg Bremicker, Technischer Produktmanager Wärmepumpen bei Vaillant Deutschland. Ein Großteil der Verunsicherung sei auch darin begründet, dass viele Kunden denken, sie müssten ihre alten Heizungen ab 2024 rauswerfen. „Das ist keineswegs so. Es muss deutlich mehr Aufklärungsarbeit geleistet werden, damit den Endkunden die Verunsicherung genommen werden kann“, betont er. Von vielen aufgeregten Anrufen der Kunden berichtet auch Thomas Christoph, Landesinnungsmeister des Fachverbands Sanitär Heizung Klima in Schleswig-Holstein.
„Wenn man ein neues Gebäude – auch ein neues Einfamilienhaus – baut, gibt es gar kein Problem”, sagt Jochen Brückmann, Präsident des Verbandes Deutscher Grundstücksnutzer. Das sei unter Klimagesichtspunkten sinnvoll und finanziell tragbar. „Das große Problem haben wir in älteren Gebäuden, die noch nicht entsprechend gedämmt sind und oft von Menschen bewohnt werden, die schon etwas älter sind und finanziell nicht so gut dastehen.” Investitionen von 30 000 bis 40 000 Euro seien in diesen Fällen ein „großes Problem“. Viele Mitglieder des Verbandes hätten Sorge, ob sie sich die Immobilie überhaupt weiter leisten können.
Unsere Statista-Grafik zeigt den Absatz von Heizungswärmepumpen in Deutschland in den Jahren 2010 bis 2022.

Ein älteres Ehepaar aus Mecklenburg-Vorpommern, das in einem Haus aus dem Jahr 1973 wohnt, ist ratlos: Die Brennwertheizung werde zeitnah kaputt gehen. „Sollen wir noch in diesem Jahr eine neue Brennwertheizung kaufen oder in eine Wärmepumpe investieren?“
„Ich würde in diesem Fall dazu raten, noch einmal in eine Gasbrennwertheizung zu investieren – aufgrund der Investitionskosten und des fortgeschrittenen Alters der Hausbesitzer”, sagt Bremicker. „Handeln Sie schnell“, rät Brückmann dem Ehepaar. Die Nachfrage sei sehr groß. Wer jetzt nicht sofort bestelle, könne nicht mit Sicherheit damit rechnen, dass die Geräte pünktlich vom Hersteller geliefert würden.
Brückmann geht auch auf die Preise ein: „Wenn man vor zwei Jahren eine moderne Brennwertgastherme gekauft hat, lag der Preis bei ungefähr 8000 bis 9000 Euro.“ Das könnte auch ein Doppelrentnerhaushalt in einem Einfamilienhaus ansparen. „Die kostet jetzt zwischen 14 000 und 15 000 Euro“, betont er. „Wenn man jetzt eine Entscheidung treffen muss zwischen einer modernen Brennwertheizung für 15 000 Euro oder einer Wärmepumpe für 35 000 Euro – dann müsste die Förderung fast die Hälfte der Kosten übernehmen. Davon sind wir mit dem aktuellen Gesetzesentwurf weit entfernt.“
Es gebe viele Ausnahmen – beispielsweise für Krankenhäuser. „Ich habe das Gefühl, dass der normale Bürger in seinem Einfamilienhaus als derjenige gesehen wird, bei dem es technisch möglich ist. Der muss es also machen, während alle anderen Ausnahmen bekommen.“ Brückmann zufolge sind die Förderungen zu gering.
Unser Servicetalk zum Nachschauen:
Mit welchen Kosten für die Wärmepumpe müssen Verbraucher derzeit rechnen?
Üblicherweise liegen die Angebote für Luftwärmepumpen Leppig zufolge aktuell bei rund 35 000 Euro. „Das ist natürlich Wahnsinn. Wir haben im Moment einen Verkäufermarkt. Das wird sich aus meiner Sicht in circa zwei Jahren dramatisch ändern.” Das liege daran, dass alle Wärmepumpenhersteller aufrüsten.
„Mit den Kosten ist es nicht so einfach“, merkt Christoph an. In Neubauten seien die Kosten durchaus vergleichbar. „Im Altbau brauchen wir für den Einbau der Wärmepumpe vier- bis fünfmal so lange wie im Neubau“, sagte er. Die Planungsarbeit und das Gebäude zu beurteilen sei wesentlich komplexer geworden. „Dann sind auch die Kosten vier- bis fünffach so hoch.“

Ein Leser aus Schleswig-Holstein fragt nach der Möglichkeit, mit Wasserstoff zu heizen. Gibt es sie und sind die vorhandenen Gasleitungen dafür geeignet?
„Unsere aktuellen Geräte können eine Beimischung von 30 Prozent Wasserstoff schon heute nutzen”, sagt Bremicker. Es werde auch an Geräten gearbeitet, die derzeit noch mit Erdgas und nach einer Umrüstung entsprechend mit Wasserstoff betrieben werden könnten. „Wenn Wasserstoff in ausreichender Menge da ist, haben wir kein Problem, die vorhandenen Geräte umzurüsten oder durch Geräte zu ersetzen, die Wasserstoff verbrennen können.”
In Skandinavien gibt es schon viele Wärmepumpen, die Technologie ist nicht neu. Warum ist die Aufregung aktuell so groß?
Landesinnungsmeister Christoph betont die Unterschiede zwischen der Infrastruktur in skandinavischen Ländern und Deutschland. „Ein solches Gasnetz und Heiztechnologien mit Öl und Gas, wie wir es haben, hat es in Skandinavien nie gegeben.” Da in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten andere Technologien verfolgt wurden, sei der Umschwung aktuell dramatischer und müsse schneller passieren. „Das ist im Moment die Herausforderung”, sagte er.

John Komlosy aus Niedersachsen fragt: Wie viele Häuser in Deutschland sind mit vertretbarem finanziellen Aufwand technisch überhaupt auf Wärmepumpe umzustellen?
„Das ist natürlich nicht so einfach. Eine Prozentzahl kann man nicht nennen”, sagte Christoph. Man müsse auch die Entwicklungsdynamik betrachten. Vor wenigen Jahren seien Wärmepumpen nur in neue, gut gedämmte Gebäude eingebaut worden. „Inzwischen ist die Effizienz besser geworden, auch für etwas ältere Gebäude.”
Aus Osnabrück kommt die Frage: Ich bin Eigentümer eines Mehrfamilienhauses (Altbau, Baujahr 1928) mit sechs Wohnungen. Jede Wohnung hat eine Gasetagenheizung. Ich würde sehr gerne auf eine Wärmepumpe umstellen. Wie geht das?
„Das ist ein wunder Punkt“, sagt Leppig. „Es gibt aus meiner Sicht Ansätze, aber noch keine richtige Lösung.“ Von einer wohnungsweisen auf eine zentrale Versorgung umzustellen, werde nicht überall funktionieren. „Es gab gerade eine Anfrage einer Wohnungseigentümergemeinschaft, die eine große Wärmepumpe einbauen möchte. Der Energieversorger sagte aber, dass die Anschlussleistung gar nicht da ist“, berichtet der Energieberater. Probleme dieser Art gebe es einige und sie seien noch nicht gelöst.
„Eine mögliche Lösung ist heute schon eine zentrale Wärmepumpe draußen“, sagt Bremicker. Es werde in Zukunft wahrscheinlich auch Möglichkeiten geben, die einzelnen Gasgeräte durch sogenannte Wohnungsstationen zu ersetzen. „Das heißt, an die Stelle, an der heute das Gasgerät hängt, wird eine Wohnungsstation installiert. Von dort aus wird die Warmwasserversorgung und die Heizungswasserversorgung in der einzelnen Wohnung übernommen.“ Vaillant sei guter Dinge, dass in Zukunft auch Lösungen für Gasetagenheizungen gefunden werden. Bereits jetzt schon könnten Wärmepumpen bei Häusern eingesetzt werden, die bis zu 300 kW als Heizleistung benötigen.
„In Häusern mit bis zu zehn Wohneinheiten sind Wärmepumpen gut verfügbar“, sagt Christoph. Darüber werde es „etwas schwieriger“. Er plädiert für mehr Technologieoffenheit – beispielsweise gegenüber Kraft-Wärme-Kopplung.

Der Zentralverband sagte kürzlich, es würden 60 000 Heizungsinstallateure fehlen. Bekommen wir eine Wärmewende praktisch dann überhaupt hin?
„Der Fachkräftemangel tangiert uns nicht erst seit einem halben Jahr“, sagt Christoph. Im Einzelnen betrachtet sei das dramatisch, gleichwohl spielten immer mehrere Faktoren eine Rolle. „Es muss Geld vorhanden sein, um die Investitionen zu tätigen. Förderanträge dauern neun Wochen und die Auszahlung zwölf Wochen. Dadurch entsteht eine gewisse Verzögerung.“ Außerdem müsse Material da sein – aktuell werde die Produktion von Wärmepumpen noch hochgefahren. „Es ist noch nicht so viel da, wie schlagartig angefragt Auch Brückmann plädiert für mehr Technologieoffenheit. „Wir galoppieren von einer Technologie zur anderen und schaffen es nicht, weil die Leute panisch reagieren, noch zwei Jahre zu warten und die energieeffiziente sinnvolle Wärmepumpe einzusetzen“, sagte er. Er spricht in diesem Zusammenhang von einer „Schocksituation, die zu falschen Entscheidungen führt“.
Ein Ehepaar aus Schleswig-Holstein hat seinen Fall geschildert und bittet um Rat: Wir haben vor 7 Monaten eine Förderung für eine Wärmepumpe beantragt und seit Februar 2023 die Zusage erhalten. Nun sagt mir mein Heizungsbauer, dass keine Wärmepumpen zu bekommen wären. Die Dauer der Förderungszusage ist auf gut zwei Jahre begrenzt.
Diese Situation kennt Christoph aus der täglichen Praxis im Betrieb. Er rät zu Flexibilität und Offenheit. „Es gibt vielleicht eine Alternative oder einen anderen Hersteller“, sagt er. Die Lieferzeiten würden sich Bremicker zufolge schon ein wenig entspannen. „Wir liegen derzeit bei Lieferzeiten zwischen drei und sechs Monaten.“ Er geht davon aus, dass sich das in der Zukunft noch weiter entzerren wird. Vaillant baue derzeit ein großes Werk, in dem weitere Wärmepumpen gefertigt werden können. Auch andere europäische Hersteller bauen ihre Kapazitäten weiter aus. „Wir können also davon ausgehen, dass sich eine Lieferzeit zwischen drei und sechs Monaten im Maximum einpendeln wird.“
Leppig bemängelte ferner, dass auch Energieberater unter der „unsteten Förderpolitik“ leiden. Bei den zahlreichen und schnellen Änderungen würden auch Fachleute verunsichert. „Wir hatten eine Förderlandschaft, da gab es in Millisekunden Zusagen. Mittlerweile wartet man viele Monate – und das bei einer Investition, die bei 30 000 bis 40 000 Euro liegt.“

Reichen die Förderungen aus, um die Wärmewende sozialverträglich hinzubekommen?
„Natürlich überhaupt nicht“, ist sich Brückmann sicher. „Das Gesetz, das 2024 gelten soll und besagt, 65 Prozent der Wärme soll aus erneuerbaren Energien erzeugt werden, ist nicht umsetzbar – weder finanziell durch die Bürger noch durch die Hersteller in diesem Zeitraum. Es ist ein Unding, dass Gesetze beschlossen werden, obwohl allen Beteiligten klar ist, dass das in diesen Vorgaben nicht zu schaffen ist.“
Der Verband Deutscher Grundstücksnutzer habe eine Woche Zeit gehabt, zu dem 155-seitigen Entwurf Stellung zu nehmen. „Wir haben eine vernünftige und natürliche Entwicklung hin zu Nachhaltig und Klimabewusstsein“, sagte Brückmann. Hausbesitzer, denen Nachhaltig wichtig ist und die sich entsprechende Maßnahmen leisten können, hätten bereits umgerüstet. „Wir reden jetzt über diejenigen, die es sich in der Vergangenheit schon nicht leisten konnte und jetzt gezwungen werden, innerhalb eines Jahres solche Dinge umzusetzen.“
Wie robust sind Wärmepumpen im Küstenklima wegen des Salzwassers in der Luft, fragt von der Insel Föhr Michael Seidelmann.
„Das ist kein Problem“, sagte Bremicker. Die Verdampfer der Maschinen hätten spezielle Beschichtungen, die es durchaus auch zuließen, auf den Inseln aufgestellt zu werden. „Da gibt es keine Einschränkungen.“

Heidemarie Wendland aus Schleswig-Holstein fragt: Wir haben eine Wärmepumpe. Bis vor kurzem hatten wir noch ein Alleinstellungsmerkmal im Dorf – inzwischen sind es fünf Wärmepumpen. Was, wenn aber 200 Häuser mit Wärmepumpen ausgestattet sind: Bricht die Stromversorgung für den Ort zusammen?
Das sei ein Hauptthema in der Energieberatung, sagt Leppig. „Wir müssen uns vom Gleichzeitigkeitsfaktor Eins lösen.“ Dazu gehöre auch, dass künftig nicht alle Menschen, wenn sie abends um 17 Uhr nach Hause kommen, warm duschen und gleichzeitig das Elektroauto laden könnten. Stattdessen sollte man sein E-Auto zu der Zeit aufladen, wenn etwa Strom aus Windkraft in großen Mengen da sei. Da könne man viel über den Preis regeln. „Das Netz müssen wir intelligent nutzen“, fordert Leppig, und etwa mit Smart Metern ausrüsten.