Fahrer legt die Hände in den Schoß So fährt es sich in Hamburgs erster Roboter-U-Bahn

Von Markus Lorenz | 09.06.2023, 16:00 Uhr

Wenn die Technik übernimmt, profitieren die Fahrgäste. So das Versprechen der Hamburger Hochbahn. Wo die ersten automatischen U-Bahnen rollen sollen.

Nächster Halt Zukunft: Die Hamburger Hochbahn arbeitet an automatisierten U-Bahnzügen, bei denen ein Computer die Steuerung übernimmt. Auf einer Testfahrt konnten Medienvertreter am Freitag erstmals erleben, wie sich das anfühlt. 2026 sollen die ersten Roboter-U-Bahnen im Osten Hamburgs auf den Linien U2 und U4 in den Alltagsbetrieb gehen.

Das Elektronenhirn übernimmt

Schauplatz für die Schnuppertour ist ein separates Gleis zwischen den U-Bahnhöfen Berne und Oldenfelde, auf dem die fahrerlosen U-Bahn seit einigen Monaten erprobt wird. Unser Zug der Modellreihe DT5 unterscheidet sich äußerlich in nichts von konventionellen Fahrzeugen. Das Elektronenhirn, das den Betrieb per Autopilot möglich macht, steckt in zwei Bordcomputern und jeder Menge Funk- und Überwachungsechnik für die Kommunikation zwischen Zügen, Strecke und Stellwerken.

Im Führerstand gibt es ein zusätzliches Display für den Fahrer – denn der bleibt auch bei der automatischen U-Bahn einstweilen an Bord. Um bei Notfällen einzugreifen sowie das Ein- und Aussteigen zu überwachen. Die Hochbahn spricht deshalb streng genommen von einem teilautomatisierten Betrieb.

Heute Morgen sitzt Mike im Cockpit. Er drückt einen unscheinbaren grünen Knopf, startet so die automatische Fahrt und legt dann die Hände in den Schoß. Wie von Geisterhand setzt sich das Gefährt sanft in Bewegung, rollt mit gemütlichen Tempo 30 in Richtung Süden; im Realbetrieb werden es später bis zu 80 km/h sein.

Das Ziel: Alle 100 Sekunden eine U-Bahn

„Wir nähern uns jetzt einer virtuellen Station auf der Teststrecke“, kündigt Hochbahn-Projektleiter Jan Frederik Bremen an. „Das System beginnt eigenständig mit dem Bremsvorgang.“ Genau so geschieht es. Kurz darauf kommt unsere U-Bahn nach rund einem Kilometer Fahrt zum Stehen, ohne jedes Ruckeln und punktgenau. Fazit: Wer nicht weiß, dass hier ein Computer beschleunigt, bremst und lenkt, würde es nicht merken.

„Was auf dem Testgleis nur eine kurze Fahrt ist, wird die Hamburger U-Bahn nachhaltig verändern“, verspricht Hochbahn-Technikvorstand Jens-Günter Lang zufrieden. Denn: Automatisierte U-Bahnen können in viel geringeren Abständen zueinander rollen, weshalb sich die Taktzeiten deutlich verkürzen. Projektleiter Bremen: „Unser Ziel ist ein 100 Sekunden-Takt, zunächst auf der U2 und U4 zwischen den Haltestellen Horner Rennbahn und Hauptbahnhof.“

Die Kapazität auf dem Abschnitt soll auf diese Weise von 20.000 auf 30.000 Fahrgäste täglich anwachsen. Wo alle 1:40 Minuten ein Zug rollt, brauche niemand mehr einen Fahrplan, weiß Bremen: „Es lohnt sich nicht mal, der U-Bahn hinterherzulaufen, weil ja gleich die nächste kommt.“

Wie funktioniert das Ganze technisch? Züge und Strecken werden lückenlos mit Funk- und Überwachungstechnik ausgestattet, die Angaben zu Position und Tempo der U-Bahn gehen via WLAN permanent zu den Stellwerken. Alle Züge bewegen sich in einem „Moving Block“, halten in jeder Situation automatisch immer den richtigen Abstand. Für die Kommunikationstechnik ist Siemens verantwortlich, die Umrüstung der Züge erledigt Fahrzeughersteller Alstom. 

Was, wenn das WLAN ausfällt?

Müssen Passagiere ein mulmiges Gefühl haben, wenn vorn kein Mensch mehr steuert? „Nein“, sagt Sebastian Misczyk von Siemens. Die Technik sei zuverlässiger als menschliches Personal. Was aber, wenn das WLAN ausfällt? Misczyk versichert: „Das fällt nicht aus. Es ist nach außen abgeschirmt, es gibt Redundanzen.“ 

Wie geht‘s weiter? Die bisherigen Testfahrten seien erfolgreich verlaufen, meldet die Hochbahn. Nach und nach werden nun 163 DT-5-Fahrzeuge und die ersten Streckenabschnitte von U2 und U4 aufgerüstet. Ende 2026 soll der automatisierte 100-Sekunden-Takt starten und danach auf weitere Abschnitte ausgebaut werden. Die Projektkosten liegen bei rund 200 Millionen Euro.

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