Die Vorbehalte gegenüber Elektroautos sind altbekannt: Reichweite, Ladedauer und -infrastruktur sind sicherlich noch nicht da, wo sie sein müssten. Dennoch gibt es bereits heutzutage genügend Modelle, die eine alltagstaugliche Reichweite besitzen und die, zumindest mit einem Minimum an Planung, auch auf langen Strecken keinerlei Probleme bereiten. Wie beispielsweise der Kia EV6, der mit 229 PS und Heckantrieb im früh- und hochsommerlichen Alltag ein treuer und verlässlicher Begleiter war.
Rein optisch setzt sich der Koreaner mit seiner Science-Fiction-Hülle deutlich vom derzeitigen Groß-SUV-Trend ab. Auf den vorderen Plätzen gibt es üppigen Platz, hinten lassen sich auch längere Beine problemlos verstauen, allerdings sorgt die abfallende Dachlinie für etwas eingeschränkte Kopffreiheit. Ist das Glasdach an Bord (1200 Euro, nur in Verbindung mit dem „GT-line“-Paket für 8000 Euro und Wärmepumpe für 1000 Euro zu haben), kann es auch vorne für Personen über 1,85 Meter Körperlänge etwas „haarig“ werden.

Die Mittelkonsole zwischen den beiden Vordersitzen ist ziemlich wuchtig, die Bedienung nicht hundertprozentig optimal, was zuvorderst an der doppelt belegten Bedieneinheit unterhalb des Touchscreens liegt. Dort werden in einer Einstellungsebene Grundsätzliches wie Lautstärke oder Menüunterpunkte des zentralen Bildschirms aufgerufen, in der zweiten Einstellung die Klimaanlage geregelt. So kommt es, dass es beispielsweise einen gemeinsamen Drehregler für die Temperatur und die Lautstärke gibt – je nachdem, welche Bedienebene gerade aktiviert ist. Was irrtümliche Bedienung nicht eben ausschließt.
Ansonsten funktioniert das Cockpit im EV6 aber gut, vorausgesetzt, man hat die große Batterie und das GT-line-Paket an Bord und zudem noch das eine oder andere Aufpreis-Kreuzchen bei der Bestellung gesetzt. Dann gibt’s beispielsweise ein blendend funktionierendes Head-up Display, das nicht nur sich nähernde Fahrzeuge im toten Winkel signalisiert (zusätzlich wird beim Setzen des Blinkers ein Videobild von hinter dem Fahrzeug angezeigt), sondern auch mit eindeutiger Bepfeilung Navigationsanweisungen direkt in das Blickfeld des Fahrers eingeblendet. Lediglich der Spurhalteassistent nervt hin und wieder mit Eingriffen ins Lenkrad – dabei könnte er schon heute sehr zuverlässig autonom die Spur halten.
Motor: Elektromotor (168 kW/229 PS), max. Drehmoment: 350 Nm, Verbrauch: 17,2 kWh, CO2: 0 g/km (Werk), 0-100 km/h: 7,3 Sek., Vmax: 185 km/h, 1-Gang-Getriebe, Heckantrieb.
Maße: Länge: 4,70 m, Leergewicht: 1995 kg, zul. Gesamtgewicht: 2425 kg, Kofferraumvolumen: 490-1300 l, Anhängelast (gebremst): 1600 kg, Testverbrauch: 17,5 l.
Grundpreis: 51990 Euro, gefahrene Version: 64670 Euro. Versicherungstypklassen (KH/TK/VK): 18/23/26.
500 Kilometer Reichweite werden unter Prüfstandsbedingungen erreicht, im Alltag sind 450 problemlos auch außerhalb der Stadtgrenzen möglich – zumindest bei idealen Temperaturbedingungen. Auf der Langstrecke ist ein wenig Disziplin erforderlich (was für E-Auto-Fahrer in aller Regel ohnehin selbstverständlich ist); während die Verbrennerkombis und Dienstwagen zwischen Tempolimit, Tankstellenstopp und Baustelle kurz mit mehr als 200 km/h links vorbeidrängeln, gleitet der EV6 leise mit 120 km/h dahin, bleibt so bei Verbrauchswerten von 16 bis 18 kWh/100 km. Was bedeutet, dass wir nach einer knapp 400 Kilometer langen Strecke mit etwas unter 100 Kilometern Restreichweite am Ziel ankamen. Nach einer zehn Sekunden dauernden Umkreissuche per Smartphone-App wurde eine freie Schnellladesäule gefunden, die in einer halben Stunde die Batterie wieder komplett füllte und so die 400 Kilometer lange Rückfahrt ermöglichte. Problem? Kein Problem!
Die meiste Zeit reicht dem 229 PS starken Hecktriebler der Eco-Modus; der Fünftürer tritt dennoch kraftvoll zum Zwischenspurt an. Wer aber in den Fahrmodus „Sport“ wechselt, der erlebt die sportlichste Ausprägung von Elektromobilität. Dafür braucht es nicht einmal die (per Menü aktivierbaren) künstlichen Motorensounds mit Namen Stylish, Dynamic und Cyber. Das schönste Geräusch im E-Auto ist und bleibt: die Stille.

Das alles hat seinen Preis: Der EV6 kostet mindestens 46990 Euro (170 PS, 58-kWh-Batterie). Mit großer 77,4-kWh-Batterie und 229 PS kommen 5000 Euro hinzu, das üppige GT-line-Paket kostet weitere 8000 Euro. Ein Glasdach (1200 Euro), das Assist-Plus-Paket (1790 Euro), Wärmepumpe (1000 Euro) und 20-Zöller (690 Euro) summierten sich am Ende zu 64670 Euro.