Neuerungen bei Fahrgastrechten Bahnfahrer haben künftig schlechtere Chancen auf Entschädigung: Das müssen Sie wissen

Von Eva Dorothée Schmid | 25.05.2023, 12:46 Uhr | Update am 06.06.2023

Ab dem 7. Juni 2023 gibt es eine Reihe von Neuerungen bei Fahrgastrechten – allerdings nicht immer zugunsten der Bahnreisenden. Was kommt auf Bahnfahrer zu? Ein Überblick.

Am 7. Juni tritt die Neufassung der EU-Verordnung „über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr“ in Kraft. Meist liefert Brüssel Regeln, die die Rechte der Verbraucher stärken. Nun aber schwächt die EU Verbraucherrechte ab: bei Verspätungen und Ausfällen der Deutschen Bahn.

Die Bahn wird sich bei Verspätungen künftig nämlich auf höhere Gewalt berufen können – und muss dann keine Entschädigungen mehr zahlen.

Wie unpünktlich die Bahn ist, zeigt diese Statista-Grafik:

Entschädigung hängt von Ursache der Verspätung ab

Kommt der Zug mehr als eine Stunde zu spät am Zielbahnhof an, kann man 25 Prozent des Fahrpreises zurückverlangen. Bei mehr als zwei Stunden sind es sogar 50 Prozent. Die Ursache für die Verspätung hat dabei bisher keine Rolle gespielt. Das ändert sich.

Bei Ereignissen, die auf höherer Gewalt beruhen und zu Verzögerungen führen, haben Reisende künftig keinen Anspruch mehr auf Entschädigung. Dazu zählen:

  • extreme, Jahreszeiten untypische Witterungsbedingungen, Naturkatastrophen
  • Eingriffe Dritter (etwa Personen im Gleisbett, Kabeldiebstahl, Sabotage)
  • Schuld Bahnreisender (etwa unsachgemäßes Ziehen der Notbremse)

In der Verordnung heißt es auch: „Darüber hinaus sollte ein Eisenbahnunternehmen nicht zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet sein, wenn es nachweisen kann, dass die Verspätung durch eine schwere Krise im Bereich der öffentlichen Gesundheit, wie beispielsweise eine Pandemie, verursacht wurde.“

Streikt das Bahnpersonal mal wieder, dann haben Reisende aber weiterhin Anspruch auf die Entschädigung.

Kritik an den neuen Regelungen

Reicht künftig also schon ein Wintereinbruch, um die Entschädigung auszuschließen? Gerade die Frage, was extremes Wetter im Sinne dieser Verordnung ist, wird noch Gerichte beschäftigen, schätzt Gregor Kolbe vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv). Seine Befürchtung lautet: „Die Bahnunternehmen werden das nun häufiger nutzen, um Forderungen abzulehnen.“

Da es bei Bahnerstattungen oft nur um zweistellige Beträge geht, fürchtet Kolbe, dass Bahnreisende im Zweifel häufig keine keine rechtlichen Schritte einleiten, obwohl die vielleicht gerechtfertigt wären –einfach, weil der Aufwand nicht lohnt.

Seit die Deutsche Bahn Entschädigungsforderungen online bearbeitet – Fahrgäste also keine Papierformulare mehr einreichen müssen – machen deutlich mehr Menschen ihren Anspruch geltend. So musste die Bahn 2022 die Rekordsumme von 92,7 Millionen Euro an ihre Kunden auszahlen – 54,5 Millionen Euro mehr als im Jahr davor.

Künftig kürzere Frist für die Beschwerde

Die Frist, um bei Verspätung oder Zugausfall beim Bahnunternehmen Geld zurückzufordern, liegt bislang bei einem Jahr nach Ablauf der Gültigkeit der Fahrkarte. Künftig müssen Reisende hier womöglich schneller tätig werden. Drei Monate nach dem Vorfall muss die Beschwerde spätestens eingereicht werden, heißt es in Artikel 28 der neuen Verordnung.

Welche Pflichten die Bahn bei Verspätungen weiterhin hat

Auf außergewöhnliche Umstände können sich Bahnunternehmen nur bei Entschädigungsforderungen berufen. Weitere Pflichten bleiben davon unberührt: Etwa, dass bei größeren Verspätungen die Weiterreise auf anderem Weg organisiert werden muss oder sich der Fahrgast den Fahrpreis erstatten lassen kann.

Davon unberührt ist weitgehend auch das Recht auf Hilfeleistungen bei Verspätungen von mehr als einer Stunde oder Zugausfällen – etwa, dass das Bahnunternehmen sich um Mahlzeiten und Erfrischungen in einem angemessenen Verhältnis zur Wartezeit und gegebenenfalls um die Unterbringung in einem Hotel kümmern muss.

Eine kleine Änderung gibt es bei der Hotelunterbringung. Sind außergewöhnliche Umstände die Ursache für die Zugausfälle, kann das Bahnunternehmen die Unterbringung im Hotel auf höchstens drei Nächte begrenzen. So eine Einschränkung gab es vorher nicht.

Umbuchung künftig auf eigene Faust möglich – auf Bahnkosten

Von der Frage der Erstattung abgesehen, haben Fahrgäste bei absehbaren Verspätungen von mehr als einer Stunde am Zielbahnhof generell die Wahl, ob sie sich den Fahrpreis erstatten lassen oder die Reise fortsetzen, beispielsweise bei Zugausfällen.

Weiterfahren können sie bei nächster Gelegenheit oder zu einem späteren Zeitpunkt ihrer Wahl, wobei sie stets auch eine andere, vergleichbare Verbindung wählen können. Die Option muss ihnen das Bahnunternehmen laut Verordnung bieten.

Ab 7. Juni gilt hier laut Europäischem Verbraucherzentrum (EVZ): Man darf für die Weiterreise vom Bahnunternehmen auch auf den Zug eines anderen Anbieters umgebucht werden. Und Bahnreisenden wird explizit das Recht zur selbst organisierten Weiterreise eingeräumt. Die entstandenen Kosten können dann vom Bahnunternehmen zurückgefordert werden.

Voraussetzungen: Der Fahrgast muss sich entweder die Zustimmung von Bahnunternehmen für die Umbuchung holen. Oder: Dem Fahrgast wurden vom Bahnunternehmen nicht binnen 100 Minuten nach der planmäßigen Abfahrtzeit, dem verpassten Anschluss oder dem ausgefallenen Verkehrsdienst alternative Weiterreise-Optionen mitgeteilt.

In so einem Fall kann man sich selbst um alternative Verbindungen kümmern. Die Verordnung nennt hier explizit Bahn- oder Busverbindungen anderer „öffentlicher Verkehrsdienste“. Man kann auf Bahnkosten also keinen Flug oder Mietwagen buchen.

Wo die EU-Verordnung gültig ist

Die Verordnung zu den Bahngastrechten gilt für den Fern- und Nahverkehr in allen EU-Mitgliedsstaaten sowie in Island, Liechtenstein und Norwegen. Sie legt die Mindestanforderungen fest. Die einzelnen Staaten können noch verbraucherfreundlichere Regeln festlegen. In Deutschland gibt es zwei Beispiele für verbraucherfreundliche Regeln aus der hierzulande geltenden Eisenbahn-Verkehrsverordnung (EVO), die über die EU-Bahngastrechteverordnung hinausgehen:

So können Inhaber eines Regionalzug-Tickets unter bestimmten Umständen alternativ auch auf einen höherwertigen (nicht reservierungspflichtigen) Zug umsteigen, wenn die Verspätung am Zielbahnhof absehbar mehr als 20 Minuten betragen wird. Dafür muss man zwar erst mal ein ICE-Ticket kaufen, kann die Kosten aber später zurückfordern.

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Und: Wenn die planmäßige Ankunftszeit zwischen 0 und 5 Uhr liegt und eine Verspätung am Zielbahnhof von mindestens einer Stunde absehbar ist, können Regioticket-Inhaber auch mit einem anderen Verkehrsmittel ans Ziel fahren, etwa mit einem Taxi. Das ist ebenso möglich, wenn es sich um die letzte fahrplanmäßige Verbindung des Tages handelt, diese ausfällt und man dann ohne andere Verkehrsmittel nicht mehr bis 24 Uhr am Zielbahnhof ankommen kann.

Für diese beiden Fälle sieht die EVO, die ebenfalls überarbeitet wurde, künftig einen erstattbaren Höchstbetrag von 120 Euro vor. Das ist eine Verbesserung für die Verbraucher, denn bisher waren es nur 80 Euro. Die neue EVO tritt parallel zur neuen EU-Verordnung am 7. Juni in Kraft.

Mit Material von dpa

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