Sportwagen im Test: Kleines Dach, großes Vergnügen Der Porsche 911 Targa 4 GTS ist eine moderne Hommage an die Vergangenheit

Von Lothar Hausfeld | 27.07.2023, 10:44 Uhr

Egal, ob elektrischer Taycan, SUV Cayenne, Limousine Panamera oder die 911er-Baureihe: Porsche hat bei allen Modellen, die zum Kauf angeboten werden, nicht nur das Heute und Morgen fest im Blick, sondern auch die eigene Historie. Bei vielleicht keinem anderen Modell wird das so deutlich wie beim 911 Targa, der in der GTS-Variante ein Test-Stelldichein gab.

Das liegt vornehmlich an der Dachkonstruktion: Der Überrollbügel, der 1965 vor allem aufgrund der strengen Sicherheitsvorschriften in den USA ersonnen wurde, ist heutzutage aus technischer Sicht nicht mehr nötig, auch die komplett offenen 911er-Cabrios erfüllen natürlich sämtliche Anforderungen hinsichtlich der Sicherheit. Aus historischer Sicht – und damit kommen wir auf den Anfang zurück – gehört eine Targa-Option aber einfach zum 911er-Angebot.

Zwischendurch wurden einige Generation mit Glasdach gebaut, doch seit dem Vorgängermodell setzt Porsche wieder auf das klassische Stoffdach, das geöffnet werden kann. Früher war dazu Handarbeit nötig, heute reicht es, auf das entsprechende Knöpfchen zu drücken, und in einem spektakulären Technikschauspiel öffnet sich die hintere Glaskuppel, um das sich zusammenklappende Stoffdach unter sich zu begraben und sich wieder zu schließen. 20 Sekunden dauert es, das Fahrzeug muss dafür stehen.

Diese 20 Sekunden lohnen sich aber, denn obwohl ein Targa weniger offene Fläche als ein herkömmliches Cabrio bietet, genießen die Insassen „echtes“ Cabriogefühl. Zumindest, wenn die Seitenscheiben heruntergelassen werden. Bleiben die Scheiben oben, sitzt man geschützter, dann wummert der Fahrtwind allerdings rund um Tempo 80 unangenehm in den Ohren.

Die Frage nach dem „warum ein GTS“ wird jeder 911-Fahrer beantworten können, eine sachlogische Grundlage dafür kann kaum geliefert werden. Ob der Boxermotor nun 385 (Targa 4), 450 (Targa 4S) oder 480 PS (GTS) leistet, spielt objektiv eine untergeordnete Rolle. Aber was ist schon Objektivität, wenn der drei Liter große Sechszylinder-Boxer mit einem kleinen Dreh am Start-Stummel links vom Lenkrad und einer kurzen und zurückhaltenden Fanfare zum Leben erweckt wird?

Mehr Informationen:

Motor: 3-l-Benziner (353 kW/480 PS), max. Drehmoment: 570 Nm, Verbrauch: 11,3 l, CO2: 257 g/km (Werk), 0-100 km/h: 3,5 Sek., Vmax: 307 km/h, 8-Gang-PDK, Allradantrieb.

Maße: Länge: 4,53 m, Leergewicht: 1685 kg, zul. Gesamtgewicht: 2085 kg, Kofferraumvolumen: 132 l (vorne), 163 l (hinten), Testverbrauch: 9,8 l.

Grundpreis: 177471 Euro, gefahrene Version: 201285 Euro. Versicherungstypklassen (KH/TK/VK): 11/27/28.

Dass der GTS dreieinhalb Sekunden braucht, um Tempo 100 zu erreichen, dass er maximal 307 km/h schnell rennen kann – geschenkt. Dass man beim Druck auf den „Sport Response Button“ auf dem Fahrmodus-Wählschalter am Lenkrad 20 Sekunden lang maximales Ansprechverhalten aller Antriebskomponenten abrufen kann und sich so wie ein Rennsportler fühlen kann – beeindruckend. Dass der akustisch ansonsten sehr zivil arbeitende Auspuff beim Aktivieren des „Sport Plus“-Modus dann doch zum sprotzenden und zischenden Orchester wird – wer’s mag. Aber das Cruisen bei Tempo 90 auf der Landstraße, den Fahrtwind und den Sonnenschein auf der Haut zu spüren, das PDK-Kupplung die acht Fahrstufen geschmeidig sortieren zu lassen – das ist die wahre Stärke des Targa-Porsches. Auch wenn (je)der Porsche die schnelle und schnellste Gangart beherrscht: Wahrer Genuss bedeutet nicht schnelles Verschlingen.

11,3 bis 10,8 Liter ist die offizielle WLTP-Verbrauchsangabe, bei einer Fahrt nach Leipzig und zurück standen am Ende im Bordcomputers 8,8 Liter – und trotz der zurückhaltenden Fahrweise war die Reise das reinste Vergnügen.

Ein Spaß, der (natürlich) seinen Preis hat: Die günstigste Art, Targa zu fahren, kostet mindestens 144627 Euro; an der GTS-Version hängt ein Preisschild mit mindestens 177471 Euro. Dank diverser Pakete und Extras (zum Beispiel Hinterachslenkung: 2249 Euro, Porsche Dynamic Chassis Control: 3213 Euro, Carbon-Interieur: 3153 Euro) übersprang der 911 Targa GTS die 200000-Euro-Marke.