Eigentlich sollte der ID.3 bei Volkswagen die elektrische Speerspitze bilden. Doch statt des in der Golf-Klasse angesiedelten Modells ist hierzulande der größere, im Format des SUV Tiguan konfektionierte ID.4 das erfolgreichste E-Modell von VW. Mit Tendenz nach oben übrigens: Während im Verkaufsjahr 2022 noch Baureihen wie Polo oder T-Roc vor dem ID.4/ID.5 (die Coupévariante des ID.4) landeten, fuhr der Stromer im ersten Halbjahr 2023 in die VW-Top-5. Im Test: Die Version mit 150 kW starkem Motor und 77 kWh großer Batterie.
Lange Zeit mussten sich Kunden ausgesprochen langmütig zeigen, wenn sie einen elektrischen Volkswagen bestellen wollten, doch mittlerweile hat sich die Versorgungslage deutlich entspannt. Bei den vollelektrischen Modellen der ID-Familie liegt die Lieferzeit aktuell bei zwei bis drei Monaten, wer sich für ein vorkonfiguriertes Fahrzeug entscheidet, kann sein Auto möglicherweise noch kurzfristiger bekommen.

Optisch wirkt der ID.4 ganz schön wuchtig, ein Eindruck, der sich verstärkt, wenn man Platz genommen hat. Man wird das Gefühl nicht los, dass es sich um eine Fahrzeugklasse oberhalb des Tiguan handelt. Was aber vor allem daran liegt, dass man im Innenraum deutlich mehr Platz hat – ein Vorteil der platzsparenden Elektroantriebsbauweise. Auch auf den hinteren Plätzen lassen sich erwachsene Beine bequem ausstrecken, und auch wenn das Panoramadach verbaut ist, gibt’s im Normalfall nach oben keine Berührungspunkte zwischen Haarschopf und Fahrzeughimmel.
Nicht ganz so optimal ist dagegen die Bedienung geraten. Temperatur und Lautstärke werden über berührungssensitive Schaltflächen gesteuert, klassische Tasten sucht man im ganzen Innenraum vergeblich. Ob es rückwärts oder vorwärts geht – mehr Gänge braucht es im E-Auto nicht – wird über einen Bedienstock am Lenkrad bestimmt. Andere Hersteller setzen auf Knöpfe oder an klassische Hebel angelehnte Varianten, was beides etwas intuitiver zu benutzen ist. Die Tasten auf dem Lenkrad verlangen einen recht hohen Anpressdruck der Finger, ehe die angeforderte Reaktion erfolgt.

Ansonsten ist das Cockpit aufgeräumt und luftig; der Fahrer guckt auf ein reduziertes Info-Display eher kleineren Ausmaßes, was aber für die meisten Fälle ausreichend ist. Die Armstützen für Fahrer und Beifahrer wirken eher billig, und trotz Klavierlack scheint an der einen oder anderen Stelle im Innenraum doch der Entwicklungs-Rotstift durch.
Da diese Makel aber nicht so entscheidend sind, ist das spätestens beim Fahren mit dem ID.4 vergessen. Der Startknopf muss nicht gedrückt werden, es reicht, wenn der rechte Fuß nach dem Einsteigen auf das Bremspedal (alle Achtung, VW, gelungener Witz: Gaspedal und Bremse wurden mit Start- und Stopp-Zeichen wie bei Internet-Videoplayern versehen) gestellt wird. Trotz des hohen Gewichts wirkt der ID.4 leichtfüßig, das Fahrgefühl ist geprägt von Ruhe – nicht nur, weil hier natürlich der Motor keine Geräusche macht, sondern weil das Fahrzeug insgesamt so wirkt, als bilde es einen Kokon um die Insassen, die so abgeschieden nichts vom Krach und Hektik der Umgebung mitbekommen.
Motor: Elektromotor (150 kW/204 PS), max. Drehmoment: 310 Nm, Verbrauch: 17,2 kWh, CO2: 0 g/km (Werk), 0-100 km/h: 8,5 Sek., Vmax: 160 km/h, 1-Gang-Getriebe, Heckantrieb.
Maße: Länge: 4,58 m, Leergewicht: 2121 kg, zul. Gesamtgewicht: 2660 kg, Kofferraumvolumen: 543-1575 l, Anhängelast (gebremst): 1000 kg, Testverbrauch: 19,0 kWh l.
Grundpreis: 48635 Euro, gefahrene Version: 62270 Euro. Versicherungstypklassen (KH/TK/VK): 16/20/19.
Das Fahrwerk nimmt schlechte Straßen gelassen, wer kurzfristig Antriebsenergie abruft, wird regelrecht in die (bequemen) Sitze gepresst. Was – logisch – zu Lasten der Reichweite führt. Wer sich zurückhält, kommt gut 400 Kilometer weit, ohne das Ladekabel auszupacken. Was im Alltag jederzeit ausreichend ist, da auch die Möglichkeit besteht, zügig nachzuladen: Maximal 125 kW sind drin, sodass man in einer halben Stunde bereits wieder um die 300 Kilometer Reichweite nachgeladen hat.
Die Preise für den ID.4 beginnen bei gut 40000 Euro, in den einzelnen Modelllinien kann man entweder eine vorkonfigurierte Variante wählen (Pro: 46335 Euro), bei der dann nur noch die Farbe und die Antriebsart gewählt werden kann, oder man konfiguriert „seine“ Lieblingsversion komplett durch (Pro: ab 48635 Euro). Die vorkonfigurierte Variante ist schneller lieferbar und günstiger, das konfigurierbare Modell kann mit Goodies wie elektrisch einstell- und beheizbaren Vordersitzen, Ambientebeleuchtung, LED-Matrix-Scheinwerfern, adaptiver Fahrwerksregelung, Augmented-Reality-Head-up-Display, Navigationssystem oder Assistenzsystempaket ausgestattet werden. Was im Falle des Testwagen zu einem Endpreis von 62270 Euro führte – immerhin vor Abzug der Umweltprämie.