Der neue Dating-Trend im Internet heißt Benching: Vertreter dieser Strategie machen ihren Kontakten mit kurzen Nachrichten immer wieder Hoffnung auf eine feste Beziehung, um sich dann aber zurückzuziehen. Der Kommunikationscoach Emanuel Albert rät Opfern, das nicht hinzunehmen.
Was bedeutet Benching?
Der Begriff Benching wurde in den USA geprägt und bedeutet frei übersetzt „jemanden auf die Reservebank schicken“. Es ist mit dem Prinzip des Warmhaltens zu vergleichen, das es im Zusammenhang mit Beziehungen und Partnerschaften ja schon immer gegeben hat.
Und was ist beim Benchen anders als beim Warmhalten?
Durch die digitalen Medien, wie Messenger und Chaträume hat das Phänomen heute eine ganz neue Dimension angenommen. Früher war das „Warmhalten“ eines anderen Menschen ja noch mit einem gewissen Aufwand verbunden: Der Kollege, der zum Beispiel die Kollegin warmhalten wollte, musste sie bei Begegnungen am Arbeitsplatz zumindest immer mal wieder freundlich ansprechen. Heute reicht eine Sprachnachricht über Whatsapp, Facebook und Co, und in nur wenigen Sekunden kann ich eine andere Person glauben machen, dass ich latent an ihr interessiert bin, ohne dass es zum Beispiel zu wirklichen Verabredungen oder verbindlichen Zusagen kommt.
Warum macht der Bencher das?
Dem typischen Bencher fällt es schwer, sich für einen Partner zu entscheiden. Er leidet unter Beziehungsängsten. Sein unfaires Verhalten ist ihm oft nicht bewusst. Meist spielt sich das so ab: Der Bencher geht seine Kontaktlisten durch und denkt: „Ach Mensch, der schreibe ich mal wieder. Ach, die ist ja auch ganz nett.“ In dem Moment aber, wo die Angeschriebene antwortet, kollabiert die temporäre Zuneigung des Benchers. Seine Bindungsangst gewinnt wieder Oberhand. „Oh mein Gott, Hilfe, die will jetzt was von mir, das will ich doch gar nicht.“ Dann wird schamlos gelogen und ein wichtiger Termin vorgeschoben.
Und was hat der Bencher nun davon?
Die Tatsache, dass sein Kontakt reagiert, schmeichelt seinem schwachen Ego. Der Bencher gibt in seinem Bekanntenkreis sehr gerne mit seinen vielen Kontakten an.
Gibt es auch Bencher, die in einer festen Beziehung sind?
Die gibt es natürlich. Auch ihnen geht es meist um Selbstbestätigung und vielleicht noch um ein irgendwie geartetes Gefühl freier Liebe. Auch wenn sie sie ja nur im virtuellen Raum praktizieren. Ihre Nachrichten schreiben sie übrigens nicht selten auf dem Sofa neben ihrem realen Partner sitzend. Auch diese Personen macht es schon satt, wenn ihre Kontakte auf sie reagieren.
Was richtet das bei den Opfern an?
Sie werden angefixt, machen sich Hoffnungen und werden dann im Regen stehen gelassen. Als Coach habe ich oft mit Menschen zu tun, die sich im Laufe der Zeit immer tiefer in ihren Bencher verlieben. Denn nicht wenige sind so disponiert, dass sie eine Abhängigkeit entwickeln, wenn sie – salopp gesagt – nicht „rangelassen werden“. Diese Person ist dann nur noch auf den Bencher fixiert. Sie verliert die Fähigkeit, sich neu zu verlieben. Es besteht auch die Gefahr, dass diese Menschen später selbst zu Benchern werden.
Gibt es einen bestimmten Opfer-Typ mit ganz bestimmten Eigenschaften?
Derjenige, der gebencht wird, ist oft nicht so geschickt in seinen Eroberungsfähigkeiten. Möglicherweise ist er zu unbeholfen oder eben nicht raffiniert genug, schriftlich attraktiv zu wirken. Mangels eigener Eroberungserfolge neigt er mehr als andere dazu, blind auf ein Happy End zu hoffen.
Wie kann man sich schützen?
Ich empfehle, knallhart die Gretchen-Frage zu stellen und den Bencher auf ein reales Treffen festzunageln. Erfahrungsgemäß sagen dann 70 bis 80 Prozent ab, weil sie vor Nähe ja Angst haben. Das ist dann der Moment, wo ich diese Person rausschmeißen muss. Den Namen markiere ich in meiner Kontaktliste am besten mit fünf Z, damit der Bencher ganz hinten landet. Das Problem ist aber, dass sich viele Betroffene gar nicht vor solchen Menschen schützen wollen, sondern es sich in den Kopf gesetzt haben, ihn zu knacken. Dafür fehlt ihnen aber eine passende Strategie.
Was ist in solchen Fällen zu tun?
Es bleibt niemand an einem Bencher hängen, der nicht selbst ein Problem hat. Ich empfehle Betroffenen, sich in solchen Fällen klarzumachen, wie sie sich eigentlich ihren einen Traumpartner vorstellen. Sie müssen an sich selbst arbeiten. Niemand nimmt eine Droge, ohne dass er nicht irgendwie auch eine Prädisposition hat.
Wer bencht denn mehr? Männer oder Frauen?
Das gibt es keine Unterschiede.
Und unter den Altersgruppen ?
Die Jüngeren sind sehr viel stärker betroffen als Ältere. Das beginnt schon im Schulalter und nimmt dann bis in die Zwanziger zu. Weil die Älteren diese Spielchen meist durchschauen, wird es dann weniger. Wobei ich selbst Siebzigjährige kenne, die sich von kleinen, dahingeworfenen Nachrichten an der Angel halten lassen.
Vor Kurzem war ja„Ghosting“ noch der große Dating-Trend. Gemeint ist das plötzliche wortlose Verschwinden, nachdem man fast ein Paar geworden war. Was ist schlimmer?
Ich finde Ghosting noch sehr viel schlimmer als Benching. Einige solcher Fälle, die mir in meiner Praxis begegnet sind, haben mich wirklich vom Stuhl gerissen. Ohne ein Wort, ohne eine einzige Erklärung wird der Partner von heute auf morgen ignoriert und hängen gelassen. Die betroffene Person ist ohne Hilfe oft lange Zeit für neue Beziehungen völlig blockiert.
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