Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) arbeitet an der Einführung einer Aktiensteuer, nachdem eine weiter gefasste Finanztransaktionssteuer nicht durchsetzbar war. Befürworter wie Gegner der Finanztransaktionssteuer halten von den Berliner Plänen wenig. Das Wichtigste im Überblick.
Was sind die Hintergründe der neuen Aktiensteuer? Seit nunmehr zehn Jahren wird in Europa über die Einführung einer Finanztransaktionssteuer heftig debattiert. Die Befürworter wollen auf diesem Weg die Finanzbranche an den Kosten der Finanzkrise beteiligen und hochspekulative Geschäfte eindämmen. Nach den ursprünglichen Plänen der EU-Kommission sollte die Steuer beim Kauf von vielen Finanzprodukten wie Aktien, Anleihen und Derivaten anfallen. Die Idee setzte sich nicht durch.
Wie soll die nun geplante Steuer im Detail aussehen? Die Aktiensteuer ist eine deutlich abgespeckte Variante der ursprünglich geplanten Finanztransaktionssteuer, die von zehn EU-Staaten vorangetrieben wird. Sie soll ausschließlich auf den Kauf von Aktien, also Unternehmensanteile, erhoben werden. Andere Anlageklassen bleiben außen vor, beispielsweise Anleihen oder Derivate, die bei der Entstehung der Finanzkrise eine Rolle spielten. Betroffen sind ausschließlich Aktien von Unternehmen, die ihren Hauptsitz innerhalb der EU haben und deren Börsenwert eine Milliarde Euro übersteigt. In Deutschland betrifft das alle im Dax und im MDax gelisteten Unternehmen, außerdem einige Konzerne aus der 3. Börsenliga SDax. Die neue Abgabe soll bereits 2021 eingeführt werden.
Wie hoch soll der Steuersatz sein und mit welchen Einnahmen rechnet der Staat? Der Mindeststeuersatz soll nach Angaben des Bundesfinanzministeriums 0,2 Prozent betragen. Ein Sprecher des Finanzministeriums betonte, der Steuersatz sei sehr gering, insbesondere für Kleinanleger. Wer für 1000 Euro Aktien kaufe, zahle je nach Depot und Handelsplatz 10 bis 50 Euro an Gebühren. Die Aktiensteuer belaufe sich dagegen in diesem Fall nur auf zwei Euro, rechnet er vor.
Für die zehn Staaten, die die Aktiensteuer einführen wollen, werden Einnahmen in Höhe von 3,5 Milliarden Euro prognostiziert. Davon könnten auf Deutschland etwa 1,25 Milliarden Euro entfallen, wie das Ministerium weiter mitteilte. Die SPD möchte einen Teil der Einnahmen für die Finanzierung der Grundrente verwenden.
Wie beurteilen Aktionärsschützer und Experten die Berliner Pläne? Äußerst kritisch. „Die geplante Finanztransaktionssteuer hat Aktien großer Emittenten im Visier. Das ist ordnungspolitisch und auch finanzpolitisch kompletter Irrsinn“, sagte Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). „Eine Steuer müsste vielmehr dringend bei allen Produkten ansetzen, die keinen Bezug zur Realität oder zum Bruttoinlandsprodukt haben.“ Tüngler denkt vor allem an Zockerpapiere, sogenannte Derivate. Sein Fazit: Die Pläne des Finanzministeriums seien „mit der ursprünglichen Idee, der Eindämmung der Spekulation“ nicht in Einklang zu bringen.
Auch Christine Bortenlänger, geschäftsführender Vorstand des Deutschen Aktieninstituts (DAI), hält das Vorhaben für „grundfalsch“. „Damit wird der Bürger, der mit Aktien für sein Alter vorsorgen will, nun auch noch bestraft – und das vor dem Hintergrund, dass die Rente eben nicht mehr sicher ist.“ Es sei unverständlich, warum jetzt die Privatanleger die Zeche für die Finanzkrise zahlen sollten.
Was sagt die Opposition zu dem Vorhaben? Der FDP-Finanzpolitiker Frank Schäffler spricht von einem „Schlag ins Gesicht der Kleinaktionäre“ und sagt: „Eigentlich müssten wir die Altersvorsorge viel stärker auf Aktien und Immobilien umstellen, da Lebensversicherungen in der Nullzinsphase nichts mehr abwerfen.“ Schäffler fordert einen „Aufbruch für die Aktienkultur.“ Aktiengewinne sollten nach fünf Jahren steuerfrei gestellt werden.
Kritik kommt auch von den Grünen, die zu den Unterstützern einer Finanztransaktionssteuer zählen. „Die geplante Aktiensteuer ist viel zu wenig und hat nichts mit den versprochenen Zielen einer Finanztransaktionssteuer zu tun“, sagte die finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Lisa Paus der Zeitung „Die Welt“. „Wir brauchen dringend eine richtige Finanztransaktionssteuer, die auch Derivate und Devisen umfasst.“
Findet die Aktiensteuer wenigstens Anklang bei Aktivisten? Eher nicht. Gerhard Schick, früherer Grünen-Bundestagsabgeordneter und Begründer der „Bürgerbewegung Finanzwende“, kritisiert, dass die Aktiensteuer den „verrückten Hochfrequenzhandel“ nicht ausbremse, da kurzfristige Handelsaktivitäten ausgenommen seien. Die Steuer werde nicht mal 10 Prozent aller Finanztransaktionen erfassen. „So wie das jetzt geplant ist, belastet die Steuer Kleinanleger, während Profis sie leicht umgehen können.“ Das sei ein klares 1:0 für die Finanzbranche. Nötig sei ein neuer Anlauf, „wenn wir erreichen wollen, dass auch der Finanzsektor einen fairen Anteil am Steueraufkommen leistet.“