Studie des DIW Wer bezahlt das bedingungslose Grundeinkommen – und wer profitiert? Fünf Modelle

Von Flora Hallmann | 29.08.2023, 13:20 Uhr 3 Leserkommentare

Ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle, unabhängig von Einkommen oder Herkunft: Was utopisch klingt, lässt sich einer neuen Studie zufolge umsetzen. Wer das Grundeinkommen finanzieren würde, wer am Ende mehr in der Tasche hätte – und wer weniger. Fünf Modelle.

1200 Euro netto vom Staat für alle Menschen in Deutschland, egal, wie viel sie verdienen oder in welcher Lebenslage sie sich befinden: Das verspricht das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) – und klingt damit aus finanzieller Sicht ziemlich utopisch. Doch das ist es dem Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge nicht.

In Simulationsanalysen, die dem „Spiegel“ vorliegen, rechnet das DIW aus, dass der Staat 1,105 Billionen Euro zusätzlich ausgeben müsste, um das BGE zu finanzieren – und zeigt in fünf Modellen auf, wie dieser Finanzierungsaufwand ausgeglichen werden könnte.

Modell 1: Progressive Steuererhöhung

Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde alle staatlichen Sozialleistungen ersetzen. Der Wegfall dieser Zahlungen würde allerdings noch lange nicht reichen, um die Finanzierung zu gewährleisten. Ein Modell des DIW sieht vor, außerdem auf Steuerprivilegien zu verzichten. Ein Großteil der Einnahmen käme allerdings aus einer Erhöhung der Steuertarife um jeweils 36 Prozent – für alle Steuerzahlerinnen und -zahler. Der Spitzensteuersatz müsste auf 78 Prozent erhöht werden.

Zwar würden damit auch die Steuersätze für Geringverdienende steigen. Mit dem BGE hätten allerdings knapp 80 Prozent der Bevölkerung insgesamt fast 50 Prozent mehr Einkommen in der Tasche. Die Topverdienenden hätten unterm Strich 21,13 Prozent weniger Geld zur Verfügung.

Modell 2: Flat Tax

Statt eines progressiven Steuersystems könnte das BGE auch mit einem einheitlichen Steuersatz von 55 Prozent finanziert werden, einer sogenannten Flat Tax. Auf Sozialleistungen und Steuerprivilegien würde auch hier verzichtet werden. Davon profitieren würden knapp 75 Prozent der Bevölkerung, die sich über eine Einkommenssteigerung von 51 Prozent freuen könnten. Den Ausgleich schaffen die oberen 25 Prozent mit einem Einkommensverlust von insgesamt knapp 20 Prozent.

Michael Bohmeyer vom Verein Mein Grundeinkommen sieht hier jedoch ein Problem: „Höher als 50 Prozent sollte der Einkommenssteuersatz nicht liegen. Mehr könnte sich schnell ungerecht anfühlen.“

Modell 3: BGE und Klimaschutz

Sein Gedanke: „Die Hälfte für einen selbst, die andere Hälfte für die Gemeinschaft.“ So könnte es in Modell Nummer 3 aussehen: ein einheitlicher Steuersatz von 50 Prozent, Verzicht auf Sozialleistungen und Steuerprivilegien – und eine Erhöhung der CO2-Abgabe auf 500 Euro je Tonne. Der jetzige Satz liegt bei 30 Euro je Tonne.

Mehr als Dreiviertel der Bevölkerung hätte nach diesem Modell 47,52 Prozent mehr Geld zur Verfügung, der Rest hätte 18,05 Prozent Geld weniger.

Modell 4: Klimaschutz und Vermögenssteuer

Sollen die CO2-Abgaben nicht ganz so hoch geschraubt werden, könnte das BGE auch mit einer Vermögenssteuer von einem Prozent ab einem Vermögen von einer Million Euro finanziert werden. Außerdem würde auch hier der einheitliche Steuersatz von 50 Prozent gelten.

Fast 80 Prozent der Bevölkerung hätte in diesen Modellrechnungen 46,97 Prozent mehr Geld in der Tasche, ausgeglichen würde es durch eine Einkommenssenkungen der Topverdienenden von 17,75 Prozent.

Modell 5: Klimaschutz, Vermögenssteuer – und Erbschaftssteuer

Alternativ könnte die CO2-Abgabe auch noch etwas niedriger gehalten werden, wenn neben der Vermögenssteuer auch noch eine Erbschaftssteuer eingeführt würde. Damit hätten, erneut bei einem einheitlichen Steuersatz von 50 Prozent, mehr als 80 Prozent der Bevölkerung 46,66 Prozent mehr Geld zur Verfügung. Die Einkommenssenkung der Topverdienenden läge bei 17,74 Prozent.

BGE würde Umverteilung und Umstrukturierung bedeuten

Bislang gibt es das bedingungslose Grundeinkommen in Deutschland nur im Rahmen von Studien. Eine Einführung des BGE in der Gesamtbevölkerung würde eine Umstrukturierung des Steuer- und Sozialsystems bedeuten.

Stefan Bach, Forscher am DIW, spricht erstmal keine direkte Empfehlung für ein BGE aus: „Die kräftige Umverteilung von oben nach unten ist eine politische Entscheidung, das muss die Gesellschaft wollen und die Wohlhabenden müssen da mitgehen.“ Auch sei noch unklar, wie die Wirtschaft reagieren würde, ob die Beschäftigung sinken und wie sich Preise entwickeln würden.

Grundeinkommen-Aktivist Michael Bohmeyer ist dem „Spiegel“ gegenüber optimistisch: „Ich kenne keine andere Sozialstaatsreform, die so viele der bestehenden Probleme so schlank löst“, sagt er. „Das ist eben keine Gießkanne mehr, sondern ein sehr zielgenauer Ausgleichsmechanismus.“

Lesen Sie auch: Grafik zeigt: So stark sind die Reallöhne in Deutschland gestiegen

3 Kommentare
Jörg Mühlenbäumer
Es gibt keine Statistik die ich nicht so rechnen kann. Bis es mir passt. Vielleicht sollten manche Facharbeiter mal über das Arbeiten nachdenken. Aber dank des Bürgergeldes lohnt es sich nicht mehr zu arbeiten im Niedriglohnsektor.