Von zu wenigen Frauen in DAX-geführten Unternehmen wird immer wieder mal gesprochen. Aber wer weiß, wie die Frauenquote in den Führungsetagen deutscher Medien aussieht? Der Verein „ProQuote“ sagt: „Bescheiden!“, und arbeitet daran, dass sich das ändert.
„Von uns aus können wir uns Ende 2017 gern auflösen. Wir haben wirklich Besseres zu tun, als die Organigramme deutscher Medien auszuzählen“, sagt Maren Weber, seit September Vorstandsvorsitzende des Vereins „ProQuote“. Einzige Voraussetzung für die Selbstauflösung ist das Erreichen der Zielvorgabe: 30 Prozent Frauen auf allen Führungsebenen in den wichtigsten Print- und Onlinemedien, im Fernsehen und Radio. Dieses Ziel in fünf Jahren zu erreichen, damit ist der Verein 2012 angetreten.
Am Anfang wurde ein Brief geschrieben...
Den Anfang machte ein vieldiskutierter Brief an alle Chefredakteure. „Es gab eine überwältigende Resonanz – positiv wie negativ“, sagt Maren Weber. Denn die Fakten waren aus Sicht der Frauen verheerend: In der Ausbildung gut die Hälfte Frauen, als festangestellte Redakteure schon mehr Männer als Frauen und in den Chefredaktionen Quoten unter zehn Prozent. „Das Interessante war, dass auch viele Männer unser Anliegen von Anfang an unterstützt haben. Sie haben gemerkt, dass es sich mit Frauen in Führungsetagen gut arbeiten lässt und viele finden die Herrenclubs an den Redaktionsspitzen nicht mehr zeitgemäß“: Weniger Machtspiele, mehr Sachlichkeit; weniger Imponiergehabe, mehr Zielorientierung. Gerhard Delling und Jörg Schönenborn gehören zu den Unterstützern, Ranga Yogeshwar und Stern-Kommentator Hans-Ulrich Jörgers. Und Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der Zeit. „Er hat die Herausforderung ‚30-Prozentquote in fünf Jahren‘ sofort angenommen“, erzählt Maren Weber. „Er hat sogar Headhunter engagiert, um geeignete Frauen zu finden.“ Der Witz dabei: „Die Headhunter fanden sie in seiner eigenen Redaktion.“ Inzwischen hat die „Zeit“ 38 Prozent Frauen in den Führungsebenen – geschadet hat es weder der Qualität noch der Auflage.
Eine Frage des Wollens
„Manche Chefs sagen: ‚Ich finde keine Frau, wenn ich eine Leitungsstelle besetzen will‘“, erzählt Weber. „Aber das glaube ich nicht, es ist eine Frage des Wollens.“ Gewollt haben etwa die „Bildzeitung“ (knapp 39 Prozent) und der „Spiegel“, der mit 28 Prozent die Latte gerade noch reißt. Besonders unwillig zeigt sich die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ). Bei gerade mal 14 Prozent dümpelt sie herum. „Da spüren wir auch wenig Bereitschaft. Ein Gespräch mit uns, das schon verabredet war, wurde sogar wieder abgesagt“, so Weber.
Gespräche führen die Frauen von ProQuote reichlich. Auch mit den Chefs im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. „Von zwölf Intendanten sind weiterhin nur zwei Frauen“, sagt Weber. „Die Auslandberichterstattung wird fast komplett von Männern verantwortet.“ Dass es auch anders geht, zeigt der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). Als Dagmar Reim dort 2003 als erste Frau an der Spitze einer ARD-Anstalt antrat, war sie weit und breit die einzige Frau. „In den 13 Jahren ihrer Intendanz hat sie die Quote auf über 40 Prozent gehievt. Sie hat dafür von der Branche viel Anerkennung erhalten.“ Auch für Änderungen in der Arbeitsorganisation, die es Frauen ermöglicht, Kinder und Leitungsaufgaben zu verbinden. „Ich habe in der Ausbildung noch gelernt, dass ein Journalist, der was auf sich hält, 24 Stunden im Einsatz ist – und die meiste Zeit davon in der Redaktion“, erinnert sich Maren Weber. „Aber dieses Modell ist auf dem Rückzug. Nicht nur wegen der Frauen, sondern auch wegen der Männer, die auch Zeit mit ihrer Familie verbringen wollen.“ So habe etwa Julia Jäkel als Vorsitzende der Geschäftsführung bei „Gruner + Jahr“ (und selbst Mutter) konsequent familienfreundliche Strukturen eingeführt. „Kein Meeting beginnt nach 17 Uhr – das ist doch schon mal was.“
Messbare Erfolge
Erfolge gibt es also bei „ProQuote“, messbare Erfolge. Baustellen aber auch. Etwa die regionalen Tageszeitungen. „Von knapp über 100 Zeitungen mit eigenem Mantelteil haben nur sechs eine Chefredakteurin. Auf Stellvertreterebene kann man ebenso nur 17 Prozent Frauen finden. Das ist unterirdisch in Anbetracht der vielen Frauen, die für die Zeitungen schreiben.“
Deshalb hat „ProQuote“ nun eine neue Kampagne gestartet. „Schafft! Uns! Ab!“ heißt sie und appelliert an alle Medien, bis Ende 2017 noch einmal richtig Gas zu geben, damit der Verein sich auflösen kann. „Wir haben kein Druckmittel außer der Öffentlichkeit“, erklärt Weber die Strategie. „Kein Chefredakteur will öffentlich als rückwärtsgewandt dastehen. Eine vernichtende Twittermeldung tut weh.“ Zudem verpackt der Verein seine Ziele in witzige Aktionen. „Wir sehen unseren Einsatz für die Gleichstellung von männlichen und weiblichen Journalisten sportlich – zu unserem Vereinen gehören Führungskräfte wie Anne Will oder die stellvertretende Spiegel-Chefredakteurin Susanne Beyer. Wir jammern nicht, es gibt auch kein Kampfgeschrei.“ Und so kann man auf der Homepage des Vereins etwa die Erfolge der Printmedien an einem virtuellen Kamelrennen verfolgen. „Männer lieben Wettbewerbe“, so Weber. „Vielleicht spornt es sie ja an, 2017 an vorderster Stelle über die Ziellinie zu gehen.“