Sommerpause heißt für den Tatort nicht Sendepause, sondern Wiederholungen: Heute Abend geht’s los mit der Ausstrahlung der Folge „Borowski und das dunkle Netz“ von 2017. Es war der 29. von mittlerweile 33 Borowski-Tatorten. Und er bringt ein Wiedersehen mit Sibel Kekilli an der Seite von Axel Milberg.
Einer der besten Kieler Tatorte war „Borowski und das dunkle Netz“ allerdings nicht. Unsere Kritik zur Erstausstrahlung war übertitelt mit der Zeile „Borowski und der grobe Unfug“. Eher mittelprächtig war für Borowski-Verhältnisse die Quote: 9,19 Millionen Zuschauer wurden am 19. März 2017 bei der Ausstrahlung des Films von David Wnendt gezählt, der zusammen mit Thomas Wendrich auch das Drehbuch geschrieben hatte.
Über die Charlotte Roche-Verfilmung „Feuchtgebiete“ und die Hitler-Groteske „Er ist wieder da“ des Regisseurs David Wnendt hatte man schon höchst unterschiedlicher Meinung sein können. Genau das galt auch für sein Tatort-Debüt: Der Kieler Kommissar Borowski (Axel Milberg) ist eigentlich ein Garant für Spannung und Niveau – an „Borowski und das dunkle Netz“ aber schieden sich die Geister. Denn dieser Krimi ist vor allem eine Ansammlung bizarrer Figuren – man könnte auch sagen, Wnendt präsentiert uns einen Käfig voller Narren.
Süßliche Musik korrespondiert mit Gewaltorgien, platter Humor mit Szenen voller Dramatik. Normal ist niemand in diesem Film. Ein übers Darknet angeheuerter Killer richtet in einem Fitness-Studio ein Blutbad an und latscht nach vollbrachtem Mord am Leiter der Spezial-Abteilung Cyber-Crime mit seiner Wolfsmaske ins Hotel. Die übergewichtige Frau vom Empfang giert nach Sex mit dem jungen Mörder, obwohl dieser sich gerade versehentlich einen Finger abgetrennt hat und bewusstlos ist. Ein LKA-Chef stolziert wie der Hauptmann von Köpenick durch diesen Film und sondert Schwachsinn ab, sobald er den Mund aufmacht. Und dem Staatsanwalt ist offenbar mehr am Flirt mit Kommissarin Brandt (Sibel Kekilli) gelegen als an der Aufklärung eines Verbrechens.
Borowski scheint aus dem 19. Jahrhundert in diesen Film gebeamt – er kennt das Darknet nicht, kann sein Handy kaum bedienen und weiß nicht einmal Blätter aus dem Kopierer ordentlich zu entnehmen. Das kann man groben Unfug nennen oder darüber lachen. Wobei Letzteres schwer fallen dürfte. Denn nahezu jedes bemühte Witzchen erweist sich als Niete.

Wie auch immer – absurd ist dieser Tatort auf alle Fälle. Und alles andere als ein ernst zu nehmender Cyber-Thriller. David Wnendt, der Mann mit dem Hang zum Skurrilen, mag in seinen Filmen die Grenzüberschreitung lieben und in diesem speziellen Fall die Veräppelung eines in die Jahre kommenden Kommissars. Eines aber sollten er und sein Co-Drehbuchautor Thomas Wendrich sich vielleicht dennoch klarmachen: Aufgeblasene Idioten von LKA, BKA oder sonstigen übergeordneten Dienststellen waren auch vor zwei Jahren schon so was von 1990, dass man die Finger hätte lassen sollen. Der Hauptmann von Köpenick ist jedenfalls die erbärmlichste Figur in diesem Krimi. Und vor allen Dingen kein bisschen lustig, auch wenn er so angedacht sein mag.
Dass ausgerechnet Hauptdarsteller Axel Milberg Regisseur Wnendt dazu verführt hat, das Zepter bei einem Kieler Tatort zu führen, ist vielleicht die tragische Komponente daran. Dem wiederum scheinen Selbstzweifel eher fremd zu sein. Im Info des NDR sagte er damals mit einem Anflug von Selbstherrlichkeit: „Beim Tatort gibt es viele Gewohnheitsseher, die womöglich enttäuscht sein werden. Die einen wollen einen 0815-Tatort, den anderen wird mein Film zusagen.“
Dem kann man auch aus heutiger Sicht nur entgegnen: Wer ein Animationsfilmchen in einen Krimi einbaut, um das Darknet zu erklären, hat den Tatort damit noch nicht neu erfunden. Und nichts schreckt den Gewohnheitsseher mehr ab, als wenn mal wieder die Herren vom LKA mal wieder wie die Deppen der Nation durch einen Tatort latschen. Das inszenieren die Gewohnheitsdreher nämlich schon seit Jahrzehnten so.

Für Sibel Kekilli war es der vorletzte Auftritt im Kieler Tatort. Nach diesem Krimi sahen wir sie nur noch in „Borowski und das Fest des Nordens“ sehen, danach wurde Almila Bagriacik zur Kommissarin an Borowskis Seite. (Lesen Sie hier ein Interview mit Almila Bagriacik über ihre Rolle im Kieler Tatort und die Zusammenarbeit mit Axel Milberg)
Tatort: Borowski und das dunkle Netz. Das Erste, Sonntag, 23. Juni 2019, 20.15 Uhr
Wertung: 3 von 6 Sternen