Sechs Folgen auf RTL+ „Meme Girls“: Youtuberin Kayla Shyx spielt bei neuer Serie mit

Von Tilmann P. Gangloff | 20.06.2023, 10:00 Uhr

In „Meme Girls“ wird Influencerin Liv zu einem Leben ohne Internet verdonnert – und muss sich den Herausforderungen des realen Alltags stellen. Auch Kayla Shyx, die kürzlich über verstörende Erlebnisse bei einem Rammstein-Konzert berichtet hat, ist dabei.

Angesichts eines unmöglich zu bewältigenden Serienangebots in den Mediatheken und Streamingdiensten entscheidet oftmals schon die erste Szene über Wohl und Wehe: Der Auftakt muss Lust auf mehr wecken, sonst senkt sich der Daumen. Im Fall von „Meme Girls“ könnte Lady Bitch Ray schuld sein, dass sich zumindest der anspruchsvolle Teil des Publikums umgehend verabschiedet: Die wenigen Sätze der Rapperin klingen derart aufgesagt, dass es fast schmerzt. Zum Glück spielt die promovierte Linguistin (bürgerlich Reyhan Şahin) nur eine Gastrolle und taucht abgesehen von einem Miniauftritt nach dem Prolog nicht mehr auf.

Außerdem deutet Hauptdarstellerin Josie Hermer in derselben Szene bereits an, warum es sich schon allein ihretwegen lohnt, diese äußerst kurzweilige und toll gespielte Teenager-Serie in einem Rutsch anzuschauen; die sechs Folgen dauern im Schnitt bloß knapp 25 Minuten.

Eine Rolle in der Serie spielt auch Youtuberin Kayla Shyx, die zuletzt in einem Video über ihre Erfahrungen bei einem Rammstein-Konzert berichtet hat. Seit Wochen gibt es Missbrauchsvorwürfe gegen Till Lindemann, den Sänger der Berliner Band. 

Social Media wichtiger als Hausaufgaben

Die Handlung der Serie hat durchaus einen relevanten Kern, zumindest aus Elternsicht: Die 15-jährige Olivia, von allen bloß Liv genannt, ist ein TikTok-Star mit über 600.000 Followern. Weil sie täglich neue Videos produzieren muss, bleibt natürlich keine Zeit für Hausaufgaben. Also ergreift ihr Vater (Tom Keune) die denkbar härteste Maßnahme: Internetverbot! Livs Smartphone kommt in einen Tresor, ihre EC-Karte wird gesperrt, damit sie sich kein neues kaufen kann; außerdem muss sie ihre teure Privatschule verlassen (Şahin spielt die Rektorin) und fortan eine Gesamtschule besuchen.

Das sei doch „Kindermisshandlung“, beschwert sich Liv beim Jugendamt, wo man allerdings wenig Verständnis für ihre Klage hat. Notgedrungen muss sich das Mädchen den Herausforderungen der wirklichen Welt stellen: Ihr Telefon bekommt sie erst zurück, wenn ihr Notenschnitt mindestens befriedigend ist. Das Leben ist eine Bitch.

Neue Verwicklungen in jeder Folge

Weil Schönheits- und Modefrage bislang stets wichtiger waren als der Schulstoff, schließt Liv einen Deal mit den Streberinnen Mila und Alma (Saron Degineh, Fine Sendel), die außerdem die Schülerzeitung herausgeben: Die beiden helfen ihr bei den Hausaufgaben, dafür schreibt sie regelmäßig eine Kolumne.

Als Handlung für eine sechsteilige Serie mag das etwas dünn klingen, aber das von Gesa Scheibner und Jonas Zimmermann angeführte mehrköpfige Drehbuchteam sorgt in jeder Folge für neue Verwicklungen, zumal Liv natürlich weiterhin ihr Profil pflegen will und ständig nach Wegen sucht, irgendwie an ein Smartphone zu gelangen.

Schließlich kommt auch noch die Liebe ins Spiel: Sie verhilft der verknallten Mila zur Beziehung mit dem schmucken Mitschüler Noah (Joshua Kantara), stellt jedoch alsbald zu ihrer großen Verwunderung fest, dass sie eifersüchtig ist; nicht auf Mila, sondern auf Noah.

Vier Hauptdarstellerinnen begeistern mit ihrer Leistung

Es gibt ohnehin diverse überraschende Wendungen, weil die eine oder andere Figur gänzlich unerwartete Seiten offenbart, aber davon abgesehen imponiert „Meme Girls“ vor allem durch die Leistungen des Kern-Ensembles: Die vier Hauptdarstellerinnen, zu denen auch noch Luna Kuse als drittes Redaktionsmitglied Vanessa gehört, sind schlicht fabelhaft, allen voran die frühere „Schloss Einstein“-Darstellerin Josie Hermer, zumal es ihr gelingt, Sympathien für Liv zu wecken, obwohl sie ein ziemlich böses Mädchen ist. Aus der anfangs gleichfalls bloß geheuchelten Beziehung zu den drei Mädchen entwickelt sich immerhin nach und nach echte Freundschaft.

Optische Auflockerungen durch animierte Gimmicks

Endgültig zu einem großen Vergnügen wird die Serie durch die vielen Einfälle, mit denen die pointenreichen Drehbücher regelmäßig für Heiterkeit sorgen: Am ersten Tag auf der Schiller-Gesamtschule artet eine Rangelei zwischen zwei Mädchen zu einer Messerstecherei aus, bei der das Blut nur so spritzt, allerdings bloß in Livs Fantasie; statt „Schiller“ liest sie „Killer“. Kleine animierte Gimmicks dieser Art sorgen immer wieder für optische Auflockerungen.

Mal erscheint Liv überlebensgroß als kitschige Mutter Gottes, als sie wieder online ist, mal kommentiert ein gigantisches Kackhaufen-Emoji eine gelungene Racheaktion: Bei einer Hausparty hat Gastgeberin Selina (Kayla Shyx) für einen höchst peinlichen Moment gesorgt, als Mila ohne Höschen dem Whirlpool entstieg; am nächsten Tag erlebt Selina einen unangenehmen analogen Shitstorm im Wasserbecken.

Selbst die schlüpfrigen Gags sind gelungen. Hin und wieder wird es sogar ernst, etwa beim Thema Periodenpannen. Benjamin Gutsches Inszenierung ist angemessen temporeich und bedient sich auch mal parodistisch beim Horrorfilm, aber sein größtes Verdienst ist die Führung des ausnahmslos ausgezeichneten jungen Ensembles.

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