Wäre Frank Giering Musiker geworden, klängen seine Lieder mehr nach Moll als nach Dur. Wäre er Künstler geworden, schiene auf seinen Bildern nur selten die Sommersonne. Aber Frank Giering ist Schauspieler geworden. Als solcher bringt er, der sich selbst einen Melancholiker nennt, eine dunkle Farbe in die manchmal grelle Film- und Fernsehszenerie ein.
Frank Giering war Nazi (im "Opernball"), Terrorist (in "Baader"), Großstadtneurotiker (in "Absolute Giganten") - und oft war er Täter, Mörder, Bösewicht. Jetzt wechselt er fürs ZDF die Seiten und spielt einen Kommissar - und zwar in der neuen Serie "Der Kriminalist", die ab heute den angestaubten Freitagabend im Zweiten flottmachen soll. Die Titelrolle des "Kriminalisten" Bruno Schumann spielt Christian Berkel, ihn flankieren Giering alias Kommissar Henry Weber und Anna Schudt alias Kommissarin Anne Vogt.
"Als Täter habe ich oft versucht, die Polizei an der Nase rumzuführen, jetzt sitze ich auf der anderen Seite des Schreibtisches und darf mich nicht foppen lassen", beschreibt Giering seinen Arbeitsauftrag. Dass er diesen Auftrag wollte, war für den 35-Jährigen früh klar. Beim Casting traf er Christian Berkel ("den mag ich sehr") und Anna Schudt. "Schnell haben wir gemerkt, dass es sowohl auf der humorigen als auch auf der ernsten Ebene passt", erzählt Giering. Kein Problem damit, dass Berkel der Chef ist? Nein, sagt Giering, "es wird sehr darauf geachtet, dass wir immer mal wieder ein eigenes Schmankerl haben."
Welche Schmankerl zeichnen Kommissar Henry Weber aus? Vom ZDF wird er als "sensibel und gleichzeitig dickköpfig" beschrieben, Frank Giering sagt: "Er ist eine Seele von Mensch, er glaubt an das Gute und guckt immer, ob es nicht vielleicht doch jemand anderes als der Verdächtige gewesen sein könnte." Das ist der Grundton, die Nebentöne sind mal schräg, mal rustikal. Jungkommissar Henry steht zum Beispiel mit der Technik auf Kriegsfuß, was für Frank Giering leicht zu spielen ist: Der in Berlin-Charlottenburg wohnende Magdeburger besitzt weder Computer noch Fax. Nur ein Handy hat er. Das Internet ist für Giering ein unentdeckter Planet. Aber er freut sich trotzdem sehr, wenn man ihm berichtet, dass es zwei Frank-Giering-Fanseiten im Netz gibt: "Sie schicken mir ein paar Ausdrucke? Das wäre wirklich toll."
Rustikal wird Kommissar Weber, wenn jemand gegen seine Prinzipien verstößt. In der ersten "Kriminalist"-Folge "Am Abgrund" spürt das zum Beispiel ein Jugendlicher, der im Internet Schmuddelseiten betreibt. Als er den Ermittlern bei der Aufklärung des Todes der Prostituierten Chantal helfen soll und in Webers Büro plötzlich anfängt zu rauchen, schreit der: "Hömma." So geht das nicht. Nicht mit Kommissar Weber.
Es sind diese schrullig-ruppigen Szenen, die die neue ZDF-Serie sympathisch machen. Das Besondere am "Kriminalisten" ist aber sein Konzept. Zunächst wirkt die Serie ein wenig wie "CSI Berlin-Kreuzberg" - rasante Schnitte, moderne Musik, düstere Optik. Aber dann wird schnell klar, dass es Regisseurin Sherry Hormann um etwas anderes geht. "Der Kriminalist" wird aus der Perspektive des Opfers gedreht, nicht aus der des Täters. Wie hat das Opfer gelebt? Was löst sein Tod bei den Angehörigen aus? Und was erzählt das über den Täter?
Diese Herangehensweise findet Frank Giering spannend und schwierig. Spannend, "weil sich unsere Gesellschaft sehr oft mehr um die Täter als um die Opfer kümmert." Schwierig, weil bestimmte Szenen wie das Überbringen einer Todesnachricht an die Angehörigen plötzlich fallentscheidend sein können. Giering spielt solche schwierigen, gefühligen Szenen gern. Viel lieber als Verhaftungen. Warum? "Bei emotionalen Szenen klingt sehr viel von mir selbst mit. Bei Verhaftungen braucht man Autorität, und die geht mir im Privaten eher ab."