Endlich Lesben im TV! Mit Lena und Janine hat „Bauer sucht Frau“ zum ersten Mal ein lesbisches Paar verkuppelt. Hat es was genutzt? Ein Interview mit Elke Amberg, Expertin für Schwule und Lesben in den Medien.
Für die Medien ist homosexuell meist gleich schwul. Nur sieben Prozent der Berichte über schwul-lesbische Themen wie CSD und Gleichstellung handeln von Lesben. Der Rest ist Männersache. Deshalb ist jede Lesbe im Fernsehen ein Gewinn, sagt Elke Amberg, von der die Zahlen stammen. Ihr haben wir unsere Fragen zu Lena und Janine geschickt, dem ersten lesbischen Paar, das Inka Bause in der RTL-Show „Bauer sucht Frau“ verkuppelt hat. (Keine Zeit für lange Texte? Eine Zusammenfassung des Interviews lesen Sie hier .)
Frau Amberg, mit Lena und Janine hat „Bauer sucht Frau“ in der aktuellen Staffel zum ersten Mal zwei Frauen verkuppelt. Wie gefällt Ihnen Inka Bauses Darstellung lesbischer Liebe?
Ich habe diese Serie bisher nur in kleinen Ausschnitten im Internet gesehen. Daher kann ich keine fundierte Aussage dazu treffen. Aber ich weiß von anderen Medienbeobachterinnen, zum Beispiel auf der lesbischen Website phenomenelle.de , dass die Serie bei Lesben gut ankommt und auch von der Rezensentin dort positiv bewertet wird. Es gibt in dieser Serie wohl sehr selten Bäuerinnen, die einen Mann suchen. Da ist eine Bäuerin, die eine Frau sucht, natürlich ein echtes Highlight.
Das Format lebt davon, seine Kandidaten bloßzustellen. Bei Lena und Janine wagt RTL das nicht. Gut so? Oder ist das ein Fall von positiver Diskriminierung?
Mmh, von positiver Diskriminierung würde ich nicht sprechen. Was allerdings auffällig ist - und das hatten wir bei anderen Serien mit lesbischen Figuren auch schon - die Frauen entsprechen vollauf dem weiblichen Schönheitsideal von feminin, jung, blond, langhaarig, hübsch. Eine der beiden ist in der Modebranche, das ist der Traumberuf vieler Frauen. Diese Darstellungsweise entspricht dem in meinem Buch analysierten Trend zur Normalisierung. Das bedeutet, wenn Lesben dargestellt werden, dann diejenigen, die scheinbar „normal“ sind, heiraten wollen, sich Kinder wünschen und dem Heteropublikum vom Äußeren her auf jeden Fall gefallen. Das gute Aussehen ist natürlich für ein visuelles Medium von entscheidender Bedeutung. Aber gleichzeitig wird lesbisches Leben nur in einem sehr engen Raster sichtbar gemacht. Die Bandbreite lesbischen Lebens geht verloren. Frauen, die lesbisch leben, müssen sich auch heute noch in ihrer Biografie gegen viele Zuordnungen wehren. Sie brauchen - mehr noch als schwule Männer - ein gewisses widerständiges Potenzial gegen einengende weibliche Lebensentwürfe und oft eben auch gegen Schönheitsideale. Insofern sind Lesben gezwungen, Alternativen zu eingefahrenen Rollenstereotypen zu entwickeln. Viele Lesben berichten, dass sie sich schon als Kind geweigert haben, Röcke anzuziehen. Bei anderen geht das Coming-Out einher mit einer frechen Kurzhaarfrisur und sportlich-flachen Schuhen. Bei anderen ist die „Verweigerung“ und das widerständige Potenzial sozusagen verdeckter und nicht so offensichtlich, und dann gibt es wie bei den Schwulen, Lesben die zur Überanpassung neigen und keinesfalls wie eine Lesbe aussehen möchten. Was auch immer das bedeutet. Und was Lebensentwürfe angeht, wird in der gesamten Berichterstattung über lesbische Frauen meist vergessen, wie wichtig der Beruf und die finanzielle Unabhängigkeit sind. Also viele Facetten lesbischen Lebens sind vorhanden, aber nur bestimmte lesbische Frauen werden dargestellt.
Schwule gibt es auch im Trash-TV schon länger - mit allen erdenklichen Klischees. Modelshows assoziieren Schwul-Sein mit dünkelhafter Geschmacksverfeinerung oder spleeniger Hysterie. Für „Bauer sucht Frau“ hat RTL mit Michael und Micha ein kicherndes Kaffeekränzchen zusammengecastet. Ist diese Art der Sichtbarkeit ein Gewinn?
Da gilt für schwule Männer das gleiche wie für lesbische Frauen. Die Bandbreite wird nicht dargestellt. Wobei die Stereotype bei schwulen Männern um ein vielfaches ausdifferenzierter sind und vielfach wiederholt werden im Vergleich zu den Stereotypen bei lesbischen Frauen. Das ist ja auch sehr extrem bei der Berichterstattung über den Christopher-Street-Day, die auf der bildlichen Ebene fast ausschließlich kostümierte schwule Männer präsentiert. Die Kommunikationswissenschaft spricht hier von „Karnevalisierung“. Nach dem Motto: Im Karneval ist alles erlaubt, weil der Ausnahmezustand herrscht. Manchmal frage ich mich, ob damit vor allem Heteromänner, die gerne mal einen Ausflug ins schwule Nachtleben machen wollen, angesprochen werden sollen. Und neben diesen Stereotypen gibt es gleichzeitig auch bei schwulen Männern diesen Trend zur Normalisierung.
Das lesbische Paar bei „Bauer sucht Frau“ ist Gegenstand intensiver Berichterstattung. Lena und Janine sind die Stars der aktuellen Staffel. Nutzt lesbischen Frauen das Interesse von bild.de . Nutzen unsere Artikel?
Die Qualität der Berichterstattung einzelner Boulevardzeitungen kann ich nicht beurteilen. Aber fundierte und differenzierte Artikel sind sehr wichtig. Jede lesbische Figur in Filmen und im TV, jede reale lesbische Frau über die einigermaßen angemessen berichtet wird, ist wichtig. Wir brauchen mehr Anne Wills! Und wir dürfen nicht vergessen, dass fast jede junge Frau zu Beginn ihres Coming-Outs meist alleine dasteht. Und das ist oft eine Zeit der Krise. Da sind lesbischer Vorbilder von enormer Bedeutung in der Selbstakzeptanz. Und zwar eben auch die ganze Bandbreite. Nicht jede will so sein wie Hella von Sinnen, die ja eine der ersten war, die sich geoutet hat.
RTL feiert sich in Magazinen wie Birgit Schrowanges „extra“ regelmäßig dafür, mit „Bauer sucht Frau“ für gleichgeschlechtliche Paare einzutreten. Kann ein Format, das auf die Häme der Zuschauer setzt, wirklich etwas zum Gespräch über Rollenbilder beitragen?
Das ist schwer zu sagen. Wenn Journalistinnen und Journalisten die Diskussion dazu nutzen, Artikel in aufklärerischem Tenor zu schreiben, dann schon. Und wir haben ja nicht viel anderes im TV! Aber dazu müsste man eine hoch differenzierte Rezipientenforschung machen. Das wäre sicherlich sehr spannend.
Einige unserer Leser haben sich darüber beschwert, dass unsere Artikel die sexuelle Orientierung nur bei den gleichgeschlechtlichen Paaren erwähnt. Haben sie recht damit?
Das Erwähnen der sexuellen Identität ist wichtig um eine Minderheit sichtbar zu machen. Grundsätzlich. Das Problem ist ja, dass von Lesben und Schwulen angenommen wird, sie seien hetero. Insofern muss es gesagt werden, damit es sozusagen „in der Welt ist“. Die Heterosexualität wird ja auch vielfach dargestellt, indem zum Beispiel erwähnt wird, dass jemand verheiratet ist.
Aber das Betonen des Lesbisch-Seins oder Schwul-Seins im Zusammenhang mit bestimmten Themen kann auch Stereotype bedienen oder geradezu denunziatorisch sein. Zum Beispiel die Kombination von „Schwul-Sein“ und einem bestimmten „Milieu“. Da werden schwule Männer mit Rotlichtviertel und Kriminalität assoziiert. Oder die Kombination von „Lesbisch-Sein“ und „Krank-Sein“. Da wird Lesbisch-Sein pathologisiert. Das sind alles gängige Muster, die in der Vergangenheit häufig benutzt wurden, die aber leider immer noch vorkommen.
Wo in den Medien sehen Sie einen gelungenen Umgang mit lesbischem Leben? Was soll man sich angucken, wenn man attraktive lesbische Vorbilder sucht?
Das ist eine sehr gute Frage! Aber die Antwort fällt extrem mager aus: Ich weiß, das viele lesbische Frauen mit Freuden Tatort-Kommissarin Ulrike Folkerts, alias Lena Odenthal, anschauen. Und ich selbst habe vor Jahren Ellen Degeneres in der Serie „Ellen“ mit Leidenschaft angeschaut. Erstaunlicherweise war sie damals - zumindest am Anfang - noch gar nicht out, aber das lesbische Flair hat trotzdem irgendwie funktioniert. Die Serie „L-Word“ kursierte in Lesbenkreisen und wurde teils auch kontrovers diskutiert. Viel mehr fällt mir nicht ein…
Wie kommt es überhaupt zu den Unterschieden im medialen Bild von Lesben und Schwulen?
Männer und Frauen leben in unserer Gesellschaft in einer vollkommen unterschiedlichen Position, denn wir haben immer noch eine starke Hierarchie der Geschlechter. Insofern setzt die Diskriminierung und eben auch die lesbische und schwule Emanzipation an teils sehr unterschiedlichen Themen an und wird auch auf unterschiedliche Weise „unter dem „Deckel gehalten“. In meiner Untersuchung habe ich ja festgestellt, dass Lesben weitaus seltener in Artikeln vorkommen als Schwule: Nur in sieben Prozent aller Berichte zu den lesbisch-schwulen Themen „Rechtliche Gleichstellung“ und „Christopher-Street-Day“, stehen lesbische Frauen im Mittelpunkt. Und viele Berichte, nicht nur in den von mir analysierten Tageszeitungen, sondern auch in Zeitschriften oder in TV-Dokumentationen, drehen sich um das Thema „lesbische Mutterschaft“. Natürlich hat das auch mit den politischen Diskussionen um Lebenspartnerschaft und Adoption zu tun. Aber das bedenkliche ist, dass Lesben darüber hinaus fast überhaupt nicht sichtbar sind.
Wie schlagen sich die Rollenbilder von Frauen und Männern in den diskriminierenden Stereotypen über Lesben und Schwule nieder?
Männer werden insgesamt in den Medien mehr dargestellt als Frauen. Dazu gibt es viele Untersuchungen. Und wenn Frauen dargestellt werden, dann als „Anhängsel eines Mannes“, also als Ehefrau und Hausfrau, Tochter, Assistentin, oder als Opfer, im Krieg, bei Verbrechen. Die Frau ist Körper und Gefühl, der Mann ist Kopf und Vernunft. So lautet die symbolische Ordnung heute noch, auch wenn sich an vielen Ecken und Enden schon neue Entwicklungen bemerkbar machen und Frauen politische Diskussionen in Talkshows leiten … Und die Unsichtbarkeit von Lesben muss vor dieser Folie betrachtet werden: Männliche Sexualität wird als aktiv betrachtet, weibliche Sexualität als passiv. Das bürgerliche Frauenbild ging lange einher mit vollkommener Entsexualisierung und der Überbetonung von Mutterschaft, gerade hier in Deutschland. Erst die Frauenbewegung der 70er Jahre hat dafür gesorgt, dass Lesben - zumindest ansatzweise - öffentlich überhaupt wahrgenommen wurden. Bei den Männern gab es den Paragrafen 175, der Schwulsein unter Strafe stellte. Die Strafbarkeit sorgte allerdings auch in gewisser Weise für Sichtbarkeit. In den 80ern war es dann die Aidskrise. Da waren schwule Männer mit sehr negativen Zerrbildern konfrontiert. Bei lesbischen Frauen gab es schon kurz nach dem Auftauchen im öffentlichen Raum einen gewaltigen Backlash, einen Rückschlag, und der hält bis heute an. Frauenthemen und eben auch Lesbenthemen waren selbst in den 80er und 90er Jahren nur wenig verbreitet, sind aber seitdem weitgehend aus der Berichterstattung verschwunden. Das ging einher mit dem Kürzen von Frauensendungen oder dem Einstellen der Frauenseite, wie es manche Tageszeitungen früher hatten. Manchmal kommt es mir heute vor wie ein Bann der Nicht-Benennung. Unter der Oberfläche gibt es unglaublich viele Ängste und Unsicherheiten, bei den lesbischen Frauen, aber auch bei den Journalistinnen und Journalisten, wie sie darüber berichten sollen. Eigentlich will ich Lesben dazu ermuntern öffentlich ihr Lesbisch-Sein darzustellen und Journalistinnen und Journalisten neugierig nachzufragen. So wie sie es machen ;-)
Elke Amberg hat untersucht, wie Zeitungen über Gleichstellungsfragen und den Christopher-Street-Day berichten. Nur sieben Prozent der Artikel erwähnen Lesben. Alle anderen definieren gleichgeschlechtliche Partnerschaft als Männersache. Wieso Lesben anders gesehen werden, schildert ihr Buch „Schön! Stark! Frei!“. Elke Amberg: „Schön! Stark! Frei! – Wie Lesben in der Presse (nicht) dargestellt werden“ . Ulrike Helmer Verlag. 240 S., 20 Euro.
Frauen- oder Männerfeindlich? Warum das Geschlechterbild von Inka Bauses „Bauer sucht Frau“ allen schadet, lesen Sie hier.