Frauen- oder männerfeindlich? Bauer sucht Frau: Rollenvorstellungen 200 Jahre alt

Von Daniel Benedict | 01.03.2013, 00:09 Uhr

„Schwiegertochter gesucht“, „Bauer sucht Frau“, „Bachelor“. Überall dasselbe Bild: ein Mann sucht sich als Hahn im Korb aus lauter Bewerberinnen die Beste aus. Klingt frauenfeindlich. Ist aber auch männerfeindlich.

Die Frauen machen sich krumm, um zu gefallen – und das, obwohl viele der Bauern, Schwiegersöhne und Grafen als unattraktiv, sozial inkompetent und lebensuntüchtig dargestellt werden. Ist das frauenfeindlich? Bestimmt. Aber ist es deshalb auch männerfreundlich ? Am Trash-TV erweist sich ein großes Missverständnis der Sexismus-Debatte: Gender-Klischees benachteiligen nicht das eine Geschlecht zugunsten des anderen. Sie lassen alle schlecht aussehen. Wenn die einzige Botschaft von „Bauer sucht Frau“ die Verfügbarkeit der Bewerberinnen wäre – wieso sollten Frauen dann einschalten? Tatsächlich sind sie die Akteure der Sendungen: Unter Aufsicht von Inka Bause oder Vera Int-Veen wird ein ums andere Mal die Staffelübergabe von der Mutter zur Partnerin inszeniert. Dabei wirken die Formate wie Spielshows mit dem Ziel, den unvermittelbaren Mann unter die Haube zu bringen. Dass fast immer nur Frauen um Männer konkurrieren, liegt an der Grundannahme: Nur sie haben überhaupt wettkampffähige Qualitäten. Man hört es schon an den Titeln, die den Mann stets als Suchenden beschwören. Bei „Bauer sucht Frau“ sind Männer mangelbehaftet, hilfsbedürftig und für sich alleine unvollständig. Sie sind die sportliche Herausforderung, das zu lösende Problem.

Genau in dieser Formel sieht der Soziologe Christoph Kucklick ein Denkmuster, das zwar nach dem zu Recht zornigen Feminismus der 70er klingt – aber viel älter ist. Die Verkleinerung der Frau auf das häusliche Wesen, die Einengung in den Bereich des Sozialen, ihr rigoroser Ausschluss aus allen anderen Lebensbereichen: All das deutet er nicht als hierarchische Abwertung gegenüber dem idealisierten Mann – sondern als Gegenbild zu einer dämonisierten Männlichkeit, der seit Ende der Ständegesellschaft alle Bedrohungen der Moderne zugeschrieben werden.

In einer Wiederbetrachtung der Geistesgeschichte entdeckt der Soziologe immer wieder das Motiv des schrecklichen Mannes. Den schottischen Aufklärer William Alexander zitiert er mit der These: „Der Mann ohne weibliche Begleitung ist ein gefährliches Tier der Gesellschaft.“ An Fichte arbeitet er heraus, wie der Philosoph die Unterordnung der Frau aus der absoluten Schlechtigkeit des Mannes ableitet. „Der neue Diskurs“, schreibt Kucklick, „charakterisiert Männer ihrer ,Natur‘ nach als gewalttätig, egoistisch, asozial, unmoralisch, hypersexuell, triebhaft, gefühlskalt, kommunikationsunfähig und verantwortungslos.“

Diesem Angstbild wurde die Frau als moralische Gegenmacht gegenübergestellt, die ihre soziale Kompetenz der Bändigung des Männermonstrums widmen muss. Der Mann ist das Problem, die Frauen die Lösung – genau wie bei „Bauer sucht Frau“, wenn auch etwas drastischer. Diese höchst zwiespältige Aufwertung des Weiblichen war gleichbedeutend mit einer radikalen Entrechtung: Über zwei Jahrhunderte wurden Frauen ihrer Möglichkeiten der Teilhabe beraubt, auf dass sie ganz für die Zivilisierung der Männer freigestellt waren. So weit der Wissenschaftler. Dass neue Geschlechterbilder nötig sind, war aus der Perspektive benachteiligter Frauen also schon immer offensichtlich. Sie hatten etwas zurückzuerobern. Trotzdem ist es falsch, Emanzipation bis heute als Verteilungskampf zu deuten. Männer haben schließlich auch etwas zurückzugewinnen – das Zutrauen in ihre vermeintlich weiblichen Qualitäten.

Christoph Kucklick: „Das unmoralische Geschlecht“. Suhrkamp Verlag 2008.

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