ARD-Film über Kinderhandel „Jagdgesellschaft“: Wenn Kinder zur Ware werden

Von Marcel Kawentel | 19.01.2016, 17:46 Uhr

2013 zeigte die ARD mit „Operation Zucker“ ein verstörendes Fernsehspiel über Kinderhandel und Kinderprostitution. „Jagdgesellschaft“ erzählt diese Geschichte weiter (20. Januar, 20.15 Uhr). An der Seite von Nadja Uhl spielt diesmal Mišel Matičević, der mit unserer Redaktion über den Film sprach.

„Wenn die ARD jetzt alles richtig machen will, dann sitzen ihre besten Kräfte längst am nächsten Film,“ urteilte Zeit Online nach der Ausstrahlung des ersten Teils von „ Operation Zucker „. Tatsächlich konnten mit Friedrich Ani und Ina Jung zwei hochkarätige Autoren gewonnen werden, deren schockierende Geschichte auf sorgfältigen Recherchen beruht.

„Das Ausmaß und die Tatsache, dass diese Netzwerke wirklich so bestehen sollen, ist absolut erschreckend,“ gesteht Mišel Matičević im Gespräch mit unserer Redaktion. „So etwas macht mich sprachlos.“

Seine Figur Ronald Krug, Kommissar bei der Potsdamer Polizei, muss nach anfänglicher Skepsis gegenüber der Berliner Kollegin Wegemann (Nadja Uhl) bald erkennen, dass Helfer und Kunden des gut organisierten und menschenverachtenden Netzwerks aus Kinderhandel und Kinderprostitution aus seiner unmittelbaren Umgebung kommen.

Intensiver Dreh

„Der Dreh war sehr intensiv,“ erzählt Matičević. „Das hat mich nicht losgelassen. Erst wenn der Film abgedreht ist, baut sich das Stück für Stück ab. Bei einem solchen Thema ist die Zeit, die es braucht, länger und schmerzhafter. Ich bin dann eher ein Einzelgänger und mache das mit mir aus.“

Im TV-Krimi ist Mišel Matičević längst ein bekanntes Gesicht, sowohl in Ermittler - als auch in Verbrecherrollen . Doch für ihn hat jede dieser Rollen einen eigenen Charakter.

„Es geht immer bei Null los. Der eine Polizist hat nichts mit dem anderen zu tun, genauso wenig, wie ein Gangster etwas mit dem anderen gemein hat. Es ist immer ein neuer Mensch, den ich zeigen möchte.“

Kein gewöhnlicher Krimi

Dazu kommt, dass „Jagdgesellschaft“, wie schon „Operation Zucker“, kein gewöhnlicher Krimi ist. Ermittlerin Karin Wegemann ist von ihrem Kampf gegen Windmühlen im ersten Teil seelisch ramponiert, als ein Enthüllungsjournalist ihr neues Futter anbietet: er hat eine 14jährige Zeugin gefunden, die ihn auf die Spur eines Kinderhändlerrings in Potsdam gebracht hat. Bald ist klar: Täter, Kunden und Mitwisser bewegen sich in den höchsten Kreisen der Gesellschaft, was die Ermittlungen umso schwieriger macht. Doch Wegemann zieht ein zweites Mal ins Feld.

Wie auch in den Krimis aus seiner Feder, widmet sich Friedrich Ani in seinem und Ina Jungs Drehbuch zu „Jagdgesellschaft“ auf sensible Weise dem Seelenleben von Opfern und Tätern. Es sind vor allem die Szenen mit den Kindern, die - ohne drastisch zu sein - für den Zuschauer schwer zu ertragen sind.

„Es klingt absurd,“ gibt Mišel Matičević zu, „ich hatte das ‚Glück‘ nur eine Szene mit einer Kinderdarstellerin zu drehen. Aber ich stelle es mir horrormäßig vor und bin heilfroh, dass das an mir vorbeigegangen ist.“

Was kann ein Film bewirken?

Im Verhör wird Ronald Krug mit der Eiseskälte der ehemaligen Kinderprostituierten Helen Voss konfrontiert, die nun selbst Mittäterin ist. Jördis Triebel verkörpert diese Figur mit einer Intensität, die es so im Fernsehen selten zu sehen gibt.

Bei aller Betroffenheit, die eine solch harte Geschichte auch dank der starken Inszenierung von Sherry Hormann auszulösen vermag, bleibt die Frage nach dem Potential eines Films Veränderungen zu bewirken.

„Ein Film kann zum Nachdenken anregen, zum besseren Verständnis,“ glaubt Mišel Matičević. „Aber ob er wirklich etwas ändert? Das weiß ich nicht.“

So bleibt auch bei „Jagdgesellschaft“ - mit erklärter Absicht der Autoren - nicht die krimitypische Befriedigung nach dem gelösten Rätsel zurück, sondern das ungute Gefühl etwas tun zu müssen.

Im Anschluss an „Jagdgesellschaft“ wird in „Menschen bei Maischberger“ über den Film diskutiert.

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