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„Absurde Ereignisse“ Überwachung und Quote: Blogs annalist und 50 Prozent

Von Corinna Berghahn | 08.03.2014, 01:00 Uhr

Der Grund, warum Anne Roth ihren Blog annalist startete, klingt ein wenig nach George Orwell: Im Sommer 2007 stand ein Sondereinsatzkommando der Berliner Polizei in ihrer Wohnung, nahm ihren Partner fest und durchsuchte 16 Stunden lang ihre Wohnung.

Danach begann eine mehr oder minder versteckte Observation der Wohnung, inklusive Telefonabhören. Grund des Einsatzes: Der Verdacht, dass ihr Partner - ein Sozialwissenschaftler an der Humboldt-Universität - ein Terrorist sei.

Auf dieses Eindringen in das private Leben reagierte die Politikwissenschaftlerin Roth zwei Monate später mit ihrem öffentlichen Blog annalist. Hier schrieb sie auf, was sie dachte, wenn es wieder mal beim Telefonieren in der Leitung raschelte oder wenn sie sich beobachtet fühlte. Kurzum, sie schrieb über die Auswirkungen der Überwachung eine, wie sie es ausdrückt, „Dokumentation der absurden Ereignisse“.

Doch das Private das war nicht die einzige Intention des Blogs: „2007 war die Debatte über ,Freiheit oder Sicherheit‘ und schärfere Gesetze gegen Terrorismus sehr virulent. Und ich hatte den Eindruck, dass das, was uns da passierte, viel mit dieser Debatte zu tun hat.“

Das „digitale Zuhause“

Zudem war es „ein prägnantes Erlebnis, welches meinen Alltag dominiert hat. Ich dachte, wenn ich das nicht aufschreibe, dann habe ich nach einem halben Jahr die Hälfte von diesem Kleinkram wieder vergessen.“ Doch Roth schrieb es auf und noch heute wirken ihre Einträge beklemmend.

2010 wurde das Verfahren gegen ihren Freund eingestellt. Keiner der Vorwürfe hatte sich bestätigt. Roths Blog jedoch wird immer noch geführt und hat sich zu ihrem „digitalen Zuhause“ entwickelt. Sicherheitspolitik ist immer noch eines ihrer favorisierten Themen, doch sie schreibt auch über viele andere Themen, beispielsweise wie Feminismus.

Frauen in öffentlichen Debatten

Seit einem Jahr hat Roth noch einen weiteren Blog: 50 Prozent. Auf ihm dokumentiert sie die Geschlechterverteilung in öffentlichen Debatten wie Talkshows, Podiumsdiskussionen oder Panels. Beispielsweise bei der Veranstaltung „Zwischen Gleichberechtigung und Gleichmacherei - brauchen wir eine gesetzliche Frauenquote?“ im November 2013. Ganze null Frauen diskutierten mit - soviel zur Quote der Veranstaltung selbst.

„Im Frühjahr 2013 ist mir der Kragen geplatzt ist bei der soundsovielten Veranstaltung, bei der mir aufgefallen ist, dass da sehr viel mehr Männer auf dem Podium sitzen als Frauen“, erzählt sie. Und da sie schon länger bei Veranstaltungen den Frauen und Männeranteil zählt und man Blogs ja „für alles möglich nutzen kann“, habe sie sich gedacht: „Warum nicht mal all diese Zahlen sammeln und veröffentlichen. Dann hat sich der Ärger wenigsten gelohnt.“

Das hat er sich wirklich, denn die Auflistung der Veranstaltungen - jede dabei versehen mit den Kontaktdaten der Organisatoren - zeigt schnell auf, dass das Gefühl nicht trügt, das mehr Männer als Frauen auf den Podien sitzen und immer nur dieselben Experten diskutieren.

„Das ist sehr schön zu beobachten an dem Talkshow-Phänomen, wo auch immer nur dieselben Leute sitzen. Und alle sich darüber lustig machen. Als ob es keine anderen Leute gäbe, als die gefühlte Auswahl von 30 bis 40 Experten, die zu jedem Thema reden“, sagt sie.

Um das bei zukünftigen Veranstaltungen zu vermeiden, bietet 50 Prozent auch den Link auf eine Liste von Speakerinnen an - und zeigt Methoden, mit denen die Organisatoren verstärkt auch Frauen als Teilnehmer gewinnen können.

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