Die äußerst sehenswerte NDR-Dokumentation „45 Min – Wie Dörfer ihre Kneipen retten“ (NDR, Montag, 22.00 Uhr) beschreibt nicht nur das fortschreitende Kneipensterben in den Dörfern, sondern weist auch einen möglichen Weg aus der Krise.
Viele Dörfer leiden unter grassierender Landflucht. Die Folgen sind gravierend. Schulen schließen. Geschäfte, Arztpraxen und Freizeitmöglichkeiten werden zu Mangelware. Der letzte soziale Kitt, der die Dorfgemeinschaft noch zusammenhält, ist dann die gute, alte Dorfkneipe. Eine Art öffentliches Wohnzimmer, in dem man sich trifft, schnackt und wohlfühlt.
Aber auch den Dorfkneipen droht immer häufiger das Aus. In ganz Deutschland ist die Anzahl der umsatzsteuerpflichtigen Schankwirtschaften, so die offizielle Bezeichnung für Kneipen, massiv gesunken. Von insgesamt 46574 im Jahre 2002 auf 30168 im Jahre 2017. Vom Kneipensterben sind zwar Stadt- und Dorfkneipen gleichermaßen betroffen. Aber im Gegensatz zu den Städten, in denen trotz vieler Schließungen weiterhin Kneipen erhalten bleiben, trifft es mit der Dorfkneipe dann häufig die letzte ihrer Art.
Wer bei der Fahrt auf der Landstraße ein wenig die Augen offen hält, kann sich schnell selber ein trauriges Bild vom Leerstand machen. „Gaststätte Rosenfelde“ in 26340 Zetel. „Onkel Wenzel“ in 49681 Garrel. „Klosterschenke“ in 26446 Reepsholt. Nur drei von mehreren verwaisten Dorfkneipen am Straßenrand, die Laura Borchardt und Lucas Stratmann als mahnende Beispiele in ihre NDR-Dokumentation „45 Min – Wie Dörfer ihre Kneipen retten“ hineinmontiert haben.
Aber die beiden Filmautoren wollen mit ihrer Doku keine entmutigende Bestandsaufnahme zum Thema Kneipensterben machen, sondern ganz im Gegenteil zeigen, dass es noch Hoffnung geben kann – auch wenn es schwer ist. Zu diesem Zweck haben sich die beiden Filmemacher in drei bedrohten Dorfkneipen in Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein umgeschaut.
Ihre Bestandsaufnahme beginnt mit einem typischen Fall von drohendem Kneipensterben in Grebin (Plön). Noch hält das Wirtspaar Hannelore und Wolfgang Steen wacker die Stellung im „Grebiner Krug“. Nicht zuletzt dank Kegelbahn und großem Saal läuft der Laden eigentlich ganz gut. Aber der Wirt ist über 70 und möchte eigentlich langsam in Rente gehen. Leider ist kein Nachfolger in Sicht. Deshalb möchte er so lange weitermachen, wie es irgend geht. Denn, da ist sich Steen sicher: „Wenn so was weg ist, dann kommt es nie wieder“.
Ähnlich sieht das auch Gudrun Olschewski in Wiendorf bei Rostock, wo sie nach zwölf Jahren als Wirtin in ihrem „Wiendorfer Hof“ die letzte Kneipe im Ort betreibt. Dort wartet bereits ein Investor darauf, dass sie in Rente geht, um aus dem Treffpunkt für alle ein Wohnhaus für wenige zu machen.
Wie sich ein zwar mühseliger, aber lohnenswerter Weg aus solch einer Krise finden lässt, beschreibt die Dokumentation anhand ihres dritten Fallbeispiels aus dem niedersächsischen Handorf-Langenberg. Als der 87-jährige Wirt und Betreiber des Gasthauses „Zum Schanko“ verstarb und damit das Aus dieses beliebten Treffpunkts drohte, war erst einmal guter Rat teuer. Aber ein paar engagierte Bürger hatten eine Idee, die Schule machen sollte.
Um Geld für eine Renovierung und Wiederöffnung zusammen zu bekommen, gründeten sie eine Genossenschaft. 200000 Euro wollten sie auf diese Weise einsammeln. Darüber hinaus konnten sie auf Fördergelder der EU und der Gemeinde hoffen. Geschuftet wurde an den Wochenenden. Unzählige Helfer haben das schier Unmögliche dann möglich gemacht. Ende März war die Neueröffnung. Die Medienresonanz war bereits zuvor gewaltig. Mit der „45 Min“-Doku läuft nicht der erste Filmbeitrag über das „Schanko“ im Fernsehen. Und in den Printmedien hat es die Erfolgsgeschichte sogar bis in die „New York Times“ gebracht.
Die Dokumentation geht deutlich über eine bloße Zustandsbeschreibung hinaus. Sie weist mit dem Genossenschaftsmodell auch eine reale Möglichkeit auf, mit gemeinschaftlicher Initiative negativen Entwicklungen entgegenzuwirken. Auch in Grebin in Schleswig-Holstein, so zeigt es die Dokumentation, ist die Idee angekommen. Und die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
„45 Min – Wie Dörfer ihre Kneipen retten“. NDR, Montag, 17. Juni, 20.15 Uhr.