Kabinett hat andere Pläne Trotz Versprechen des Kanzlers: Bundesregierung streicht gesetzliche Nato-Quote

Von Henry Borgelt | 17.08.2023, 13:01 Uhr 3 Leserkommentare

Eigentlich hatte die Bundesregierung nach Beginn des Ukraine-Krieges der Nato versprochen, zwei Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung für die Verteidigung auszugeben. Medienberichten zufolge wurde beim Kabinettstreffen am Mittwoch dieses Ziel jedoch gestrichen.

Etwas mehr als eineinhalb Jahre ist es her, dass Olaf Scholz in seiner Rede nach dem Beginn der Invasion der Ukraine von einer anstehenden „Zeitenwende“ sprach. Das Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu Verteidigungszwecken auszugeben, wäre aber nur der Anfang, ließ der Kanzler damals wissen.

„Wir werden von nun an Jahr für Jahr mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in unsere Verteidigung investieren.“
Olaf Scholz
Bundeskanzler

Während der Sitzung des Bundeskabinetts am Mittwoch wurde das Zwei-Prozent-Ziel nun aber aus dem Haushaltsentwurf gestrichen, wie die Nachrichtenagentur Reuters und die „Süddeutsche Zeitung“ unter Berufung auf Regierungsvertreter berichten.

Ursprünglich sollten die festgeschriebenen zwei Prozent für Verteidigungsausgaben im Haushalt fest verankert werden. Das Auswärtige Amt äußerte allerdings Bedenken gegenüber dem Vorschlag des Verteidigungsministeriums, da die aktuelle Rechtslage ausreiche. Zudem sei die gesetzliche Verankerung von Nato-Vorgaben problematisch, da sich diese ändern könnten.

Kam das Lob der Nato verfrüht?

Der Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte erst kürzlich bei einem Besuch in Berlin die Zusagen Deutschlands und die Nationale Sicherheitsstrategie gelobt. Kanzler Scholz hatte Stoltenberg noch nach dem Nato-Gipfel in Vilnius versichert, von nun an jedes Jahr mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung zu investieren, beginnend mit mit dem Jahr 2024.

Dieses jährliche Ziel wird aber durch die Streichung aus dem Haushalt erstmal nicht rechtlich bindend. Stattdessen verlässt sich die Bundesregierung weiterhin auf die Regelung, die im Gesetz zum Bundeswehr-Sondervermögen und der Nationalen Sicherheitsstrategie verankert ist.

Demnach müsse das Zwei-Prozent-Ziel nur, „im mehrjährigen Durchschnitt“ erreicht werden. Dieser Schnitt bezieht sich auf fünf Jahre. Dazu sagte Scholz bei der Vorstellung der Strategie im Juni, es gebe diese Hintertür, „weil es wegen der Bestellungen ja mal sein kann, dass man in einem Jahr mehr ausgibt – und sich das dann als Welle gewissermaßen ausgleicht.“

Aufweichung und Unklarheit

Kritiker sehen in der Streichung des Ziels aus dem Bundeshaushalt nun eine Aufweichung der Zusagen, die der Kanzler der Nato im Zuge des Angriffskriegs Russlands gemacht hatte. Scholz und große Teile der Bundesregierung argumentieren hingegen immer wieder, dass das Sondervermögen und der Wehretat ausreichen, um das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen.

Trotz des kürzlichen Lobes wäre es nicht das erste Mal, dass Deutschland die Nato-Vorgaben missachtet. Deutschland wird innerhalb des Bündnisses immer wieder kritisiert, das Zwei-Prozent-Ziel zu missachten. 2022 trug Deutschland rund 1,5 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts bei.

Deutschlands Anteil der Verteidigungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt in Prozent:

2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021
1,19 1,19 1,20 1,23 1,25 1,35 1,53 1,49

Quelle: NATO - The Secretary General‘s Annual Report 2021, Seite 143.

Auch die Unklarheit über das planbare Budget der Nato könnte so zu einem Problem werden. Schwankt der Beitrag Deutschlands innerhalb des selbst gesteckten Fünfjahresrahmens zu stark, ist der Beitrag Deutschlands nur schwer planbar. Auch ist es unklar, was passiert, wenn das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Verteidigung aufgebraucht ist und wie die Nato-Quote dann erreicht werden soll.

3 Kommentare
Dieter Peters
1,53 Prozent von 2,0 Prozent sind nur ca. 75 Prozent des Zielwertes. Da ist ein Durchschnitt von 2,0 Prozent in sehr weiter Ferne. Aber wahrscheinlich kann Scholz sich wieder mal nicht daran erinnern, dass er die 2,0 Prozent Verteidigungsbeitrag zugesagt hat.