"Blockade geht zur Lasten der Tiere" Tierwohllabel: Klöckner erhebt schwere Vorwürfe gegen Kritiker

Von Dirk Fisser, Tobias Schmidt | 06.07.2019, 04:22 Uhr

Im Streit um das geplante staatliche Tierwohllabel meldet sich jetzt Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) zu Wort. Sie macht den Kritikern ihrer Pläne - darunter neben SPD und CSU auch CDU-Politiker - schwere Vorwürfe.

Klöckner teilte unserer Redaktion mit: „Es gibt Kreise, die wollten von Anfang an nicht mehr als bisher fürs Tierwohl tun, die freuen sich natürlich über jede Blockade und hoffen insgeheim darauf, dass wir mit einem wie jetzt geforderten verpflichtenden Tierwohlkennzeichnen vielleicht sogar in Brüssel scheitern.“ Die EU-Kommission werde ein Pflichtlabel nicht akzeptieren, betonte die Ministerin erneut.

Kommission: Es muss freiwillig sein

Eine Sprecherin der Kommission bestätigte auf Anfrage unserer Redaktion: Das deutsche Label müsste auf freiwilliger Basis eingeführt werden, solange es keine einheitliche europaweite Regelung gibt. Klöckner verteidigte daher ihren Plan, mit einer freiwilligen Kennzeichnung zunächst für Schweine zu starten.

Die Kriterien seien gemeinsam mit den Regierungsparteien ausgearbeitet worden, betonte sie. „Nun wird blockiert unter einem Vorwand, der am Ende zu Lasten der Tiere geht.“ Wer ein national verpflichtendes Tierwohllabel fordere, der spiele aber nicht nur auf Zeit, „der nimmt das Scheitern bewusst in Kauf“, so Klöckner.

Zuletzt hatten sich die SPD-Bundestagsfraktion und die CSU-Landesgruppe offen gegen eine freiwillige Kennzeichnung und für ein Pflichtmodell ausgesprochen. Auch aus der CDU gibt es Widerstand. Das Bundesland Niedersachsen hat eine Bundesratsinitiative gestartet, in der ebenfalls ein Pflichtlabel gefordert wird. Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast ist Mitglied der CDU.

Umweltministerium stellt sich gegen Gesetz

Innerhalb der Bundesregierung hatte sich dem Vernehmen nach das SPD-geführte Umweltministerium gegen den entsprechenden Gesetzentwurf gestellt und ein Pflichtlabel gefordert. Bevor aber der Bundestag beraten kann, müsste zunächst das Bundeskabinett zustimmen.

Das Bundesministerium hält ungeachtet der Widerstände am freiwilligen Label fest. Agrarstaatsekretär Hermann Onko Aeikens sagte unserer Redaktion: „Wir liegen mit dem Gesetz nach wie vor im Zeitplan. Es wird in den kommenden Tagen eine Kommunikation geben.“ Er monierte, dass die SPD-Bundestagsfraktion zuletzt nicht auf Gesprächsangebote eingegangen sei und auch keine eigenen Terminvorschläge gemacht habe.

Label droht Bio-Boykott

Das Label ist aber nicht nur politisch umstritten. Auch innerhalb der Landwirtschaft gibt es Widerstände. Es droht ein Boykott der Bio-Verbände. Prinz zu Löwenstein, Vorstandsvorsitzender des Dachverbandes Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) sagte unserer Redaktion, die Pläne der Regierung seien für die Bio-Branche „überhaupt nicht akzeptabel“.

Der Verbandschef kritisierte, dass sich das Tierwohllabel nicht an der Haltungskennzeichnung bei Eiern orientiert. Bio-Eier tragen eine Null. Hier ein Bio-Ei von einem Hof bei Osnabrück:

Beim staatlichen Label soll Bio gemeinsam mit anderen bereits vorhandenen Tierwohl-Kennzeichnungen in die höchste Stufe 3 einsortiert werden. Etwa das Label des Tierschutzbundes.

Prinz zu Löwenstein bemängelte, dass die Leistung der Bio-Landwirte weit über die geplanten Anforderung der dritten Stufe hinausgingen. Schweine bekämen etwa deutlich mehr Platz, zudem werde das Futter umweltschonend produziert. „Beim Tierschutz geht es auch um Biene, Hase und Rebhuhn“, sagte der BÖLW-Vorsitzende. Auch diese Leistung der Öko-Haltung müsse das Label erkennbar machen.

"Uns bleibt nichts anderes übrig"

Prinz zu Löwenstein kritisierte: „Diese Pläne gegen die Bio-Tierhaltung konterkarieren die im Koalitionsvertrag festgehaltene Absicht, den Ökolandbau bis 2030 auf 20 Prozent ausweiten.“ Den Bio-Landwirten bleibe „ja gar nichts übrig, als sich gegen das Label zu positionieren.“

Für Klöckner dürfte der Unmut der Bio-Verbände derzeit aber eher ein zweitrangiges Problem sein. Nur sehr wenige Schweine werden in Deutschland auf Bio-Betrieben gehalten. Das Fleisch ist deutlich teurer, das Halten der Tiere wesentlich aufwendiger als in konventionellen Ställen.

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