Alternative zu Taschengeld Kreditkarte statt Cash: Bald kein Bargeld mehr für Asylbewerber?

Von Dirk Fisser und Leon Grupe | 13.08.2023, 11:59 Uhr | Update am 14.08.2023

Seit Jahren wird ums Taschengeld für Asylbewerber gestritten. Das wird häufig in bar ausgezahlt. Bayern, Hamburg und Hannover wollen jetzt ein neues Vorgehen testen. 

Asylbewerber haben in Deutschland Anspruch auf ein Taschengeld. Oft wird das bar einmal im Monat ausgezahlt – viele Flüchtlinge haben noch kein Konto. Im Falle eines alleinstehenden Erwachsenen sind das in der Regel 182 Euro, mit denen Dinge des persönlichen Bedarfs gekauft werden können. Bei den Auszahlungsstellen bilden sich am Zahltag lange Schlangen.

Markus Söder wollte Taschengeld streichen

Die Praxis ist umstritten. Von sogenannten Pull-Effekten ist häufig die Rede, also der Befürchtung, dass Menschen auch wegen des Geldes nach Deutschland flüchten könnten. Gleichzeitig wird immer wieder die Sorge laut, von dem Geld könnten Schlepper profitieren.

Markus Söder forderte in den vergangenen Jahren mehrfach, das Taschengeld zu streichen. Erst als bayerischer Finanzminister, später auch als Ministerpräsident des Freistaats. Die Empörung war jeweils groß. Weitgehend unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit kommt er dem Ziel nun bedeutend näher.

Und nicht nur die CSU-geführte Regierung in Bayern rüttelt am Taschengeld beziehungsweise an dessen Bar-Auszahlung. Auch andernorts – im rot-grün regierten Hamburg und der grün-regierten Stadt Hannover – werden Alternativen ins Auge gefasst. Das zeigen Recherchen unserer Redaktion.

Bayern will Bezahlkarte für Asylbewerber einführen

In Bayern wird die Alternative „Bezahlkarte” genannt. Man befinde sich im Vorbereitungsstadium zur Einführung, heißt es aus dem Innenministerium in München. Um das rechtlich zu ermöglichen, wurde bereits vor einiger Zeit das Aufnahmegesetz angepasst, das den Umgang mit Flüchtlingen regelt.

In der Begründung zum Gesetzesentwurf stand seinerzeit: „Um Schlepperkriminalität zu unterbinden und Pull-Effekte zu verhindern, sollen die Asylbewerberleistungen zukünftig − soweit rechtlich möglich − im Rahmen unbarer Abrechnungen ausgegeben werden.”

Ein Ministeriumssprecher erklärte gegenüber unserer Redaktion: „Darauf aufbauend wird derzeit eine Ausschreibung zur Einführung eines Bezahlsystems vorbereitet.” Der Stadtstaat Hamburg ist da schon einen Schritt weiter, eine Ausschreibung ist draußen. Allerdings begründet die rot-grüne Regierung das Vorhaben anders als einst Bayern.

Ein Sprecher der Finanzbehörde teilt mit, Hamburg „arbeitet seit Jahren an verschiedenen Lösungen zur Optimierung des Bargeldverkehrs. Nicht zuletzt die Flüchtlingskrise mit langen Warteschlangen führte zu der beabsichtigten Pilotierung einer Sozialkarte.” In dem Zuge sucht die Verwaltung nun einen Dienstleister, der eine „guthabenbasierte Kredit-Debitkarte” anbietet.

Flüchtlinge sollen über Handy bezahlen können

Neben einer Plastikkarte soll das Angebot auch über das Handy, etwa via Apple- oder Google-Pay, nutzbar sein. Das entspreche dem Nutzungsverhalten jüngerer Menschen, so die Finanzbehörde. Dieser Gruppe gehöre der Großteil der Asylbewerber an.

Die Verwaltung, so der Plan in Hamburg, soll das Geld auf das Konto hinter der jeweiligen Karte laden. Der Asylbewerber kann das Geld dann an Automaten abheben oder im Internet bezahlen. „Eine Überziehung darf nicht möglich sein“, heißt es in der Ausschreibung. Zudem soll die Möglichkeit bestehen, einzelne Branchen wie etwa das Glücksspiel zu blockieren.

„Ob das System eingeführt werden wird, entscheidet sich erst nach Abschluss der jetzt ausgeschriebenen Pilotierung”, teilt die Finanzbehörde mit. Der Test soll Ende des Jahres, vielleicht Anfang 2024 starten. Aber: „Es besteht nicht die Absicht, Bargeldzahlungen per se abzuschaffen.”

Auch Hannover befasst sich mit Alternativen. Man warte derzeit noch auf die digitale Infrastruktur und die Debit-Karten, teilt ein Sprecher der Stadt mit. Und dann? „Im Rahmen des Pilotverfahrens soll ein Echt-Test mit einer kleineren Gruppe durchgeführt werden und die Akzeptanz und Funktionsfähigkeit getestet werden.”

So viele Asylbewerber betrifft es in Hannover

Fällt der Testlauf positiv aus, soll das System grundsätzlich eingeführt werden und die monatliche Ausgabe von Schecks beziehungsweise Bezugsscheinen entfällt. Derzeit beträfe das 304 der derzeit in Hannover lebenden Asylbewerber. Anfang des Jahres waren es noch fast 1000 Menschen.

Taschengeld für persönliche Bedarfe

Fakt ist: Wer in Deutschland Asyl beantragt, hat laut Gesetz Anspruch auf Unterkunft, Verpflegung und ein zusätzliches Taschengeld, mit dem persönliche Bedarfe finanziert werden sollen. Die Höhe richtet sich nach Alter und Wohnsituation.

Wie das Geld ausgezahlt wird, ist gesetzlich nicht geregelt. Es ist also durchaus möglich, dass sich noch weitere Kommunen Bayern, Hamburg und Hannover anschließen, sollte sich die Idee als praxistauglich erweisen.