Überfüllte Notfallambulanzen in Krankenhäusern, überlastete Ärzte und genervte Patienten: Der Streit um die Notfallversorgung in Deutschland schwelt schon lange. Jetzt plant Gesundheitsminister Spahn eine Neuregelung.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat einen Arbeitsentwurf zur Reform der Notfallversorgung in Deutschland formuliert und den Ländern zugesandt. Das Ziel: Ambulante, stationäre und rettungsdienstliche Notfallversorgung, die zurzeit noch weitgehend voneinander abgeschottet arbeiten, sollen zu einem System der integrierten Notfallversorgung ausgebaut werden.
Das sind die wichtigsten Eckpunkte des Konzepts:
Es sollen Gemeinsame Notfallleitstellen (GNL) eingerichtet werden, die unter den Telefonnummern 112 (Rettungsdienst) und 116117 (ärztlicher Bereitschaftsdienst) zu erreichen sind. Sie sollen eine Lotsenfunktion übernehmen und Patienten nach einer qualifizierten Ersteinschätzung an die richtige Versorgungsebene weitervermitteln. Damit die Organisation der Rettungsleitstellen verändert werden kann, muss möglicherweise das Grundgesetz geändert werden, weil der Rettungsdienst Ländersache ist.
Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenhäuser sollen künftig gemeinsam an ausgewählten Kliniken Integrierte Notfallzentren betreiben, die als erste Anlaufstelle für Notfallpatienten dienen. Sie sollen jederzeit zugänglich sein und entscheiden, ob die Patienten an den Rettungsdienst, in die Krankenhausambulanz, die Bereitschaftsdienstpraxis oder eine Arztpraxis weitergeleitet werden.
Die Patienten sollen motiviert werden, im Notfall nur solche Krankenhäuser aufzusuchen, an denen Integrierte Notfallzentren eingerichtet sind. Über das nächstgelegene Notfallzentrum werden die Krankenkassen ihre Versicherten informieren.
Die Versorgung am Notfallort und die bei weiterer unmittelbarer Behandlungsbedürftigkeit erforderliche Rettungsfahrt werden als voneinander unabhängige Leistungen der medizinischen Notfallrettung im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung geregelt. Um die bestmögliche Versorgung zu erreichen, müssen die zur Weiterbehandlung erforderlichen Daten frühestmöglich übermittelt werden. Das im jeweiligen Einzelfall geeignete Krankenhaus ist anzufahren. Entscheidend ist hierfür die interaktive Nutzung einer digitalen Dokumentation und eine bundesweite Echtzeitübertragung der bestehenden Versorgungskapazitäten durch alle an der Notfallversorgung beteiligten Akteure.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz lobte den Ansatz, über Integrierte Notfallzentren zukünftig eine Lotsenfunktion zu schaffen. Vorstand Eugen Brysch sieht aber auch Handlungsbedarf an anderer Stelle: Niedergelassene Mediziner seien häufig für die Patienten nicht erreichbar. Am Abend und am Wochenende spitze sich diese Situation noch zu. Es bestehe dringender Handlungsbedarf bei den ärztlichen Bereitschaftsdiensten und bei Hausbesuchen.
Der Paritätische Gesamtverband sieht Nachholbedarf im Bereich Digitalisierung. Notruf- oder Ersthelfer-Apps würden immer selbstverständlicher als Alternative zur klassischen 112 genutzt, Videotelefonie könne die Erstversorgung erleichtern oder der Notruf sei schon heute durch die Nutzung von Apps barrierefrei möglich, erklärte Präsident Rolf Rosenbrock.