Die Rente, das Erbe, der Lottogewinn: Viele malen sich aus, wie schön es wäre, nicht mehr arbeiten zu müssen. Aber ist dieser Traum realistisch?
Macht ein Leben ohne Arbeit wirklich glücklich? Einer, der diese Frage beantworten kann, ist Hannes Zacher, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Leipzig. Er beschäftigt sich mit Fragen nach Gesundheit und Zufriedenheit im Job, mit Altern und Entwicklung.

Zacher sieht den Traum vom arbeitsfreien Leben kritisch: „Es ist eine gängige Vorstellung, dass ein Leben ohne Arbeit glücklicher wäre. Aber die Forschung sagt etwas anderes”, sagt Zacher im Gespräch mit unserer Redaktion. In der Forschung gebe es die sogenannte Lotteriefrage – was, wenn man im Lotto gewinnt? „Da sagen mehr als 70 Prozent der Menschen, dass sie weiterarbeiten würden, auch wenn sie das nicht müssten.”
Das hat gute Gründe: Die Arbeit gibt eine Struktur vor, man ist im Kontakt mit anderen Menschen, arbeitet an gemeinsamen Zielen. Gleichzeitig definieren sich viele über ihren Job. Zacher spricht von Identität und Status. „Diese Faktoren sind eng mit dem Glück verbunden”, sagt der Psychologe, „Arbeit kann diese Funktionen in der heutigen Gesellschaft besser als viele andere Bereiche erfüllen.” Allerdings gehe es dabei nicht nur um bezahlte Jobs – auch das Ehrenamt oder die Arbeit für die Familie könnten Sinn stiften. Zacher spricht von einem weiten Arbeitsbegriff.
Job in der Pflege nicht immer sinnstiftend
Interessant: Berufe, die andere als besonders sinnvoll einordnen, machen nicht automatisch diejenigen glücklich, die sie übernehmen. „Es kommt auch darauf an, wie man selbst seine Arbeit sieht”, sagt Zacher. Es gebe zum Beispiel in der Pflege Menschen, die ihren Job nicht mehr als sinnvoll empfinden, weil sie viel zu dokumentieren haben. „Umgekehrt können Arbeitnehmer am Fließband ihre Tätigkeit als sehr sinnstiftend empfinden, wenn die eigene Arbeit etwa zur Fahrzeugsicherheit beiträgt.” Wichtig sei, wie man die eigene Tätigkeit interpretiert. „Eine sinnvolle und wichtige Tätigkeit ist eine, die sich auf das Leben anderer Menschen oder der Gesellschaft insgesamt auswirkt”, sagt Zacher. „Tatsächlich kann man das für fast jede Tätigkeit so interpretieren.”
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Allerdings: Zwar antworten fast 70 Prozent der Menschen bei der Lotteriefrage, sie würden weiter arbeiten. Verbesserungspotenzial sähen aber trotzdem viele, erklärt der Arbeitspsychologe: Die Hälfte derjenigen, die weiter arbeiten würden, sagen gleichzeitig, dass sie nach einem Lottogewinn etwas an ihrer Arbeit ändern würden.