Mehr als ein Jucken Klimawandel sorgt für mehr Mückenstiche: Warum das gefährlich werden könnte

Von Sören Becker | 16.08.2023, 08:00 Uhr

Für die Mückenpopulation haben der Klimawandel und das feuchte Wetter positive Folgen. Doch das ganze ist nicht nur nervig: Die Wahrscheinlichkeit steigt, dass diese Mücken Krankheiten übertragen können. 

Wer im Sommer ein paar Tage vor der Tür verbracht hat, der hat sicherlich Bekanntschaft mit ihnen gemacht: Stechmücken. Diese unangenehmen Treffen dürften in Zukunft häufiger werden. Helge Kampen vom Friedrich-Loeffler-Institut, das für die Bundesregierung zur Tiergesundheit forscht, weiß: „Durch den Klimawandel wird es immer wärmer, das spielt den Mücken in die Hände“, erklärt der Laborleiter beim Institut für Infektionsmedizin, das dem Greifswalder Institut angegliedert ist.

Warum der Klimawandel zu mehr Mückenstichen führt

Bei höheren Temperaturen werden die kaltblütigen Insekten deutlich aktiver: Sie können saisonal länger aktiv bleiben, und die Weibchen können das Blut, das sie saugen, schneller verdauen. In der Folge können sie öfter Eier legen und die Population wächst.

Erschwerend kommt hinzu, dass nicht nur Mücken, sondern auch Menschen bei wärmerem Wetter aktiver werden. Sie verbringen nicht nur mehr Zeit draußen, sondern haben auch weniger Stoff am Körper. Ein Festmahl für Moskitos also. Ein unangenehmes Jucken ist dabei jedoch nicht die einzige Folge. Stechmücken können Krankheitserreger übertragen und tun es auch regelmäßig. 

„Wenn es Ihnen im Sommer ein, zwei Tage lang nicht gut geht, kann das durchaus mit einem Mückenstich zusammenhängen“, erklärt Kampen. Nach verschiedenen Studien werden für Menschen weitestgehend harmlose Erreger, wie das Sindbis-Virus, das Batai-Virus oder das Usutu-Virus in heimischen Mückenarten, etwa der Gemeinen Hausmücke Culex pipiens, nachgewiesen.

Das RKI bezeichnet die Krankheiten als „minderpathogen und epidemiologisch vernachlässigbar“ Einfacher ausgedrückt: Für den Menschen ungefährlich.

Westnilvirus und Malaria: Warum Mücken wieder zum Problem werden

Kein Wunder, dass Mücken in Deutschland seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts als Infektionsvektoren aus dem Fokus gerückt sind. Damals wurde die Malaria mittels medikamentöser Präventionsmaßnahmen und der zunehmenden Trockenlegung von Gewässern in Deutschland ausgerottet. „Jahrzehntelang gab es bei uns keine relevanten humanen Krankheiten, die mit Stechmücken zusammenhingen. Das hat sich mit dem Westnilvirus geändert“, erklärt Kampen. 

Im Zuge des wärmsten Sommers seit Menschengedenken im Jahr 2018 gab es den bisher größten Ausbruch des Westnilfiebers in Europa mit 1600 Fällen und 166 Toten. Damals hat sich der Erreger auch in Deutschland verbreitet, nachdem er in Südeuropa schon länger heimisch war.

Westnil-Virus: Ansteckung, Symptome und Krankheitsverlauf

Die Ansteckung erfolgt über einen Mückenstich, in seltenen Fällen auch über Schmierinfektionen und Bluttransfusionen. Dabei verlaufen, ähnlich wie bei Covid-19 oder Corona, die meisten Fälle asymptomatisch. Rund 19 Prozent der Patienten entwickeln eine harmlose Fieberkrankheit, die nach drei bis sechs Tagen in den allermeisten Fällen problemlos ausheilt.

Laut RKI entwickelt etwa ein Prozent der Patienten eine sogenannte „neuroinvasive Form“, die zu Entzündungen der Hirnhaut und des Hirns, sowie zu Leberschäden führen kann. Rund jeder zehnte Patient mit einem schweren Verlauf verstirbt. Ältere Patienten und solche mit Vorerkrankungen sind besonders gefährdet.

Seit 2018 verzeichnet das RKI für Deutschland insgesamt 58 Fälle, bei denen Menschen an der meldepflichtigen Krankheit erkrankt sind. 41 davon seien ,„autochthon“ also nicht aus dem Ausland eingeschleppt.

In Deutschland wurde das Virus bereits in Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen und Niedersachsen nachgewiesen, wo es hauptsächlich zwischen Juli und September zu Ansteckungen kommt. Neben dem Menschen befällt der Erreger auch Pferde und Vögel. Die Mücke ermöglicht ihm, vom Vogel auf die anderen Wirte überzuspringen. 

Chicungunya, Dengue, Zika: Welche Krankheiten Mücken schon bald übertragen könnten

Das Westnil-Virus ist nicht der einzige Erreger, der Mücken gefährlich machen könnte. In Südeuropa tummeln sich bereits andere Kandidaten: So etwa das Chikungunya-, das Dengue- und Zika-Virus, die ebenfalls durch Mückenstiche übertragen werden.

Das Chikungunya-Virus verursacht beim Menschen heftige Gliederschmerzen und in schweren Fällen Entzündungen der Hirnhaut, des Herzens und der Leber. Erkrankungen sind nur schwer vom Dengue-Virus zu unterscheiden, da sich das Krankheitsbild ähnelt.

Zika kann kann schwere Missbildungen bei ungeborenen Kindern zufolge haben, wenn Schwangere erkranken. In Deutschland sind diese Krankheiten bisher nur bei Menschen aufgefallen, die aus den Tropen zurückgekehrt sind. Chikungunya hat in Italien bereits mehrere Epidemien verursacht. Bei Dengue und Zika sind mehrere unzusammenhängende Ansteckungsketten in südeuropäischen Ländern dokumentiert. 

Warum Mückenkrankheiten es in Deutschland (noch) schwer haben

Warum also nicht in Deutschland? Laut Kampen sind vor allem zu niedrige Temperaturen ein Faktor: Diese machen nicht nur den Mücken das Leben schwer, sondern sorgen auch dafür, dass sich Erreger  in den Mücken nicht effizient weiterentwickeln können.

So braucht das West-Nil-Virus eine Temperatur zwischen 24 und 27 Grad, um die Mücke infektiös zu machen. „Für das Dengue- und Zikavirus reichen bisherige gewöhnliche mitteleuropäische Sommertemperaturen nicht aus“, schreibt das RKI. „Da die Temperaturen im Zuge des Klimawandels steigen, wird auch die Übertragung von Krankheiten durch Mücken wahrscheinlicher“, warnt Kampen. Schon im vergangenen Jahr hatte das RKI wegen dieses Effekts vor einer Rückkehr der lange ausgerotteten Malaria gewarnt.

Allzu lange wird man auf die Tropenkrankheiten nicht warten müssen: Chikungunya konnte in Laborversuchen auch bei gemäßigten deutschen Temperaturen von der zunehmend hier anzutreffenden Asiatischen Tigermücke übertragen werden. Warum sind die Epidemien hier also ausgeblieben?

Kampen führt das auf den Mangel an Ansteckungsmöglichkeiten für die Mücken zurück: „Die Mücke an sich ist nicht ansteckend. Das wird sie erst, wenn sie einen infizierten Wirt gestochen hat und der Erreger sich in ihrem Körper vermehrt und weiterentwickelt“, betont der Forscher. In Ländern, in denen diese Krankheiten bisher nicht bekannt sind, gebe es einfach kaum infizierte Wirte.

Was nicht heißt, dass das so bleiben muss: Schließlich bringen Reisende aus aller Welt auch regelmäßig Krankheitserreger nach Deutschland. Sowohl das Chikungunya- als auch das Dengue-Virus wird jährlich bei hunderten bis tausenden Reisenden festgestellt. Diese könnten auch bei einem asymptomatischen Verlauf eine Virusquelle für Mücken darstellen.

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