Gibt es einen Aufstand der Jugend gegen die Rentenpolitik der Alten? Wie sollte ein generationengerechtes Konzept aussehen? Steht der Nachwuchs von CDU und CSU hinter der Kanzlerin? Dazu im Interview Paul Ziemiak, Bundesvorsitzender der Jungen Union.
Herr Ziemiak, Sie sind 31. Haben Sie schon viel für Ihre Altersvorsorge getan?
Ich zahle, wie die meisten Deutschen, in die gesetzliche Rentenversicherung ein – seit drei Jahren. Doch das wird sicher nicht reichen. Erst recht nicht, wenn sich das Rentensystem so weiterentwickelt. Mein Wunsch ist, dass die Beiträge stabil bleiben und das Rentenniveau nicht immer weiter absinkt.
Die Große Koalition ist mit Geschenken für Rentner gestartet, die Ihre Generation bezahlen muss. Hat die CSU nichts gelernt, wenn sie nun auch noch die sieben Milliarden Euro teure Ausweitung der Mütterrente will?
Wir haben das Rentenpaket nie in der Zielsetzung kritisiert, wir wollen nur wissen: Wer soll dies bezahlen? Darauf habe ich bisher noch keine Antwort gehört. Wenn die CSU jetzt will, dass Frauen, die ihre Kinder vor 1992 geboren haben, künftig dieselben aufgewerteten Rentenansprüche haben wie Mütter mit jüngeren Kindern, dann soll sie einen Finanzplan vorlegen. Wenn das Projekt mit den Beiträgen zukünftiger Generationen finanziert werden soll, bin ich dagegen.
Wo bleibt der Aufstand der Jugend?
Ja, den wünsche ich mich mir sehr. Es wäre gut, wenn alle politischen Jugendorganisationen zusammen für Generationengerechtigkeit eintreten würden. Nur leider scheinen mir zum Beispiel die Jungsozialisten sehr ideologisch geprägt zu sein – nach dem Motto „mehr Rente ist gut“, wer zahlt, ist offenbar egal. Die 110 000 Mitglieder der Jungen Union sehen das grundlegend anders. Wir kritisieren schon seit drei Jahren die gegenwärtige Rentenpolitik, bei der oben unter der Rubrik Bruttoauszahlung eine schöne Zahl steht, weiter unten aber der Nettobetrag ständig schrumpft.
Es gibt Forderungen , die Rente komplett aus Steuermitteln zu finanzieren…
Nein, das lehne ich ab. Wir haben ein gut funktionierendes Rentensystem. Das Problem: Das System wird seit Jahrzehnten überlastet, weil immer mehr versicherungsfremde Leistungen über die Rentenversicherung ausgezahlt werden, für die vorher aber keiner eingezahlt hat. Die Junge Union macht sich daher stark für eine große Rentenreform, bei der alles auf den Prüfstand kommt. Dazu werden wir ein Papier auf dem Deutschlandtag beschließen. Ich fürchte aber, dass Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles derart unter dem Erwartungsdruck der SPD steht, dass sie dazu nicht in der Lage ist.
Was genau ist die Stoßrichtung der Jungen Union, die mit 110 000 Mitgliedern Gewicht auf die Waage bringt?
Wir wollen eine generationengerechte Rente. Das heißt: Die Beiträge dürfen nicht weiter steigen. Ein Beitragsanstieg auf über 20 Prozent ist nicht vertretbar. Wir plädieren dafür, ohne Scheuklappen über längere Lebensarbeitszeit zu reden. Die Flexi-Rente ist dazu ein erster und wichtiger Schritt. Aber zugleich müssen wir auch jene im Fokus behalten, die dazu nicht in der Lage sind. Alle sprechen über die Rente mit 63, aber über die Erwerbsminderungsrente nur wenige. Den Erwerbsgeminderten, die schon mit 50 nicht mehr einsatzfähig sind, müssen wir mehr helfen, statt unnötige Wohltaten wie die Rente mit 63 zu verteilen.
Eine Forderung auf dem bevorstehenden JU-Deutschlandtag ist die Gleichstellung der Ehe mit gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, und man will Letzteren auch Adoptionsrecht einräumen, was die Parteivorsitzende nicht will. Ein Tabubruch?
Nein, das ist kein Tabubruch. Ich gehe davon aus, dass es dazu eine spannende Debatte und am Ende vielleicht sogar eine Mehrheit gibt. Neben den Rechten für Gleichgeschlechtliche Paare haben wir allerdings noch viele weitere wichtige Themen. Unser vordringlichstes Problem, die Rente, der Zusammenhalt der Gesellschaft, die finanziellen Probleme Alleinerziehender oder junger Familien im reichen Deutschland, die Vereinbarkeit von Beruf und Kindern – das ist es, was auf den Nägeln brennt.
Rechnen Sie auf Ihrem Kongress mit Beifallsstürmen oder mit Pfiffen für Angela Merkel?
Weder noch. Wir sind kein Jubelverein für die Kanzlerin und keine Krakeeler. Wir werden sie herzlich begrüßen.
Hat Angela Merkel in der Flüchtlingspolitik den Rückhalt der Jungen Union?
Ja, den hat sie. Denn sie ist viel mehr als eine „Flüchtlingskanzlerin“. Sie hat zum Beispiel Deutschland 2008 und 2009 aus der europäischen Staatsschuldenkrise herausgeführt. Wir freuen uns auf ihren Besuch und die Debatte mit ihr.
Sollte die CSU den Bundestagswahlkampf 2017 eigenständig führen und sich von der CDU trennen wollen, auf welcher Seite stehen Sie? In Ihren Reihen haben Sie auch den CSU-Nachwuchs…
Wir brauchen einen gemeinsamen Wahlkampf, die Union ist stark, wenn sie zusammensteht. CDU und CSU ergänzen sich, das tut uns gut. Ich warne dringend vor getrenntem Wahlkampf, dies würde beiden schaden.
Können Sie sich vorstellen, dass die CSU bundesweit antritt und die CDU sich in Bayern um Stimmen bewirbt?
Das kann ich mir nicht vorstellen. Das wäre ein historischer Fehler zum Schaden von CDU und CSU. Von dieser Diskussion halte ich überhaupt nichts – sie macht mich langsam auch sauer.
Büßte Merkel in der Union Zustimmung ein, weil ihre Kommunikation in Sachen Flüchtlingspolitik schlecht war?
Die letzten Landtagswahlen zeigen doch: Aufgrund des Erstarkens der AfD haben alle demokratischen Parteien an Zustimmung eingebüßt – auch die CDU.
Stichwort Präsidentenwahl: Könnte sich die Junge Union Außenminister Steinmeier als Gauck-Nachfolger vorstellen?
Ich schätze Frank-Walter Steinmeier. Aber es wird noch weitere ausgezeichnete Bewerber für dieses Amt geben.