Vergewaltigung in Mülheim Familien der zwölfjährigen Verdächtigen lehnen Hilfe ab

Von Vincent Buß und dpa | 09.07.2019, 20:01 Uhr

Nach der mutmaßlichen Gruppenvergewaltigung hat das Jugendamt die Familien einiger Verdächtiger aufgesucht – ohne Erfolg. Unterdessen äußern sich weitere Experten zur Strafmündigkeit von Jugendlichen.

Die Familien der beiden Zwölfjährigen, die verdächtigt werden, eine Frau in Mülheim vergewaltigt zu haben, lehnen Hilfe ab. Ein Stadtsprecher teilte gestern mit, dass Mitarbeiter des Jugendamts am Montag an den Haustüren abgewiesen worden sein. Es obliege der Verantwortung der Eltern, Hilfe anzunehmen, sagte der Sprecher.

Einige mutmaßliche Täter können nicht bestraft werden

Neben den beiden Zwölfjährigen werden drei 14-Jährige verdächtigt, am Freitagabend in Mülheim eine junge Frau in einem Waldstück vergewaltigt zu haben.

Vor Vollendung des 14. Lebensjahres können Kinder nach deutschem Strafrecht allerdings nicht für ein Verbrechen bestraft werden.

Einer der 14-Jährigen sitzt hingegen mittlerweile wegen Wiederholungsgefahr in Untersuchungshaft. Vor Erreichen der Strafmündigkeit soll er bereits wegen zwei sexueller Belästigungen aufgefallen sein, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte. Keiner der Verdächtigen wird mehr bis zu den Sommerferien die Schule besuchen, wie die Bezirksregierung Düsseldorf erklärte.

In den Familien der Zwölfjährigen hatte die Polizei nach der Tat festgestellt, dass das Kindeswohl nicht gefährdet sei. Das berichtete der Stadtsprecher. Kinder könnten nur in Obhut genommen werden, wenn die Eltern mit der Situation überfordert seien.

Staatsanwaltschaft ist zuständig

Zu den Familien der 14-Jährigen hat die Stadt laut dem Sprecher keinen Kontakt aufgenommen. Dort komme es darauf an, wie die Staatsanwaltschaft die Fälle beurteilt. Das Jugendamt sei aber immer offen für Beratungsgespräche.

Die Polizei will weitere Zeugen vernehmen und DNA-Spuren auswerten. Eine eigene Ermittlungskommission soll nicht gebildet werden. Der Fall wird von einem Kommissariat bearbeitet, das sich nur mit Sexualstraftaten befasst.

Soll das Alter für Strafmündigkeit gesenkt werden?

Angesichts des jungen Alters der Tatverdächtigen hatte unter anderem der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, gefordert, das Alter für die Strafmündigkeit in Deutschland auf zwölf Jahre herabzusetzen.

Diese Auffassung teilte der Deutsche Richterbund nicht. „Die Gleichung ‚mehr Strafrecht gleich weniger Kriminalität‘ geht bei den Jugendlichen nicht auf“, sagte der Vorsitzende Jens Gnisa. Das Jugendstrafrecht habe sich im Grundsatz bewährt:

„Es hat durch den darin niedergelegten Erziehungsauftrag zu einem deutlichen Rückgang der Jugendkriminalität geführt.“

Auch der Deutsche Kinderschutzbund sprach sich klar dagegen aus, das Alter für Strafmündigkeit herabzusetzen. Vielmehr sei das Jugendamt gefordert, zu reagieren und sich die Ursachen für das Verhalten eines Kindes im Einzelfall anzuschauen, sagte die stellvertretende Geschäftsführerin Martina Huxoll-von Ahn. Auch Richterbund-Chef Gnisa bekräftigte, der Staat habe in solchen Fällen heute schon über die Jugendämter und die Familiengerichte die Möglichkeit einzuschreiten.

Keine vorschnelle Diskussion

Sebastian Fiedler, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), ergänzte diesbezüglich gegenüber unserer Redaktion:

„Nur, wenn sich insgesamt herausstellen sollte, dass heutzutage viele Unter-14-Jährige in ihrer Entwicklung ein Stadium erreicht haben, an denen die Maßnahmenpakete der Jugendämter und Familiengerichte nicht mehr ausreichen, macht eine Diskussion über eine frühere Strafmündigkeit Sinn."“

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