In Frankreich sollen homöopathische Arzneimittel ab 2021 nicht mehr von der Kasse erstattet werden. Jetzt diskutieren auch in Deutschland Ärzte, Politiker und Kassen über eine mögliche Streichung der Zuzahlungen.
Nach den Kassenärzten haben sich auch Fachpolitiker der großen Koalition dafür ausgesprochen, die Zuzahlungen der Krankenkassen für homöopathische Mittel abzuschaffen. "Es ist schwer vermittelbar, dass Kosten für Homöopathie teilweise übernommen werden, während an anderer Stelle gespart werden muss", sagte der Vorsitzende des Bundestag-Gesundheitsausschusses, Erwin Rüddel (CDU), dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Freitag). "Deswegen kann ich mir durchaus ein Ende der Erstattungsfähigkeit vorstellen."
Wirksamkeit homöopathischer Mittel nicht nachgewiesen
Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Sabine Dittmar, sagte, die Wirksamkeit homöopathischer Mittel sei nicht nachgewiesen. "Ich sehe es deshalb kritisch, dass Krankenkassen und damit die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler diese Mittel finanzieren."
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Auch die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP sieht es so: "Jeder, der Homöopathie befürwortet, soll sie auch weiter erwerben können. Aber auf Selbstzahlerbasis", sagte Christine Aschenberg-Dugnus dem RND. Der Linken-Politiker Harald Weinberg hält die Debatte jedoch für überzogen. Die Kosten für Homöopathie für die Krankenkassen seien extrem niedrig, es gebe wichtigere Probleme.
Homöopathie umfasst 0,03 Prozent der Ausgaben
Ähnlich sieht es die CDU-Poltikiterin Karin Maag, sie hält eine freiwillige Übernahme seitens der Kassen für "vertretbar". Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion verwies am Freitag im Deutschlandfunk auf die freie Kassenwahl: "Derjenige, der für sich Homöopathie ablehnt, der kann ohne weiteres eine Kasse finden, die diese Medikamente nicht erstattet."
Zudem begründete Maag ihre Haltung mit den geringen Kosten für die Krankenkassen: "Wir reden von 0,03 Prozent der Ausgaben." Nach einem Bericht des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI) zahlten die Kassen im Jahr 2017 lediglich 10,5 Millionen Euro für homöopathische Mittel. Im Gegensatz dazu beliefen sich die gesamten Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung in jenem Jahr nach BPI-Berechnungen auf 39,6 Milliarden Euro.
Marketing mit Naturheilverfahren
Im Nachbarland Frankreich sollen homöopathische Arzneimittel ab 2021 nicht mehr von der Kasse erstattet werden. In Deutschland sind sie kein Bestandteil des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherungen. Allerdings erstatten viele Kassen Behandlungskosten für Naturheilverfahren – auch aus Marketinggründen.
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Zuletzt hatten bereits Praxisärzte gefordert, dass die Kassen keine Homöopathie mehr finanzieren sollten. Wer solche Mittel haben wolle, solle sie auch erhalten, "aber bitte nicht auf Kosten der Solidargemeinschaft", sagte der Vorstandschef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, der "Rheinischen Post". "Es gibt keine ausreichenden wissenschaftlichen Belege für die Wirksamkeit homöopathischer Verfahren."
Gassen forderte die Kassen auf, ihre Finanzmittel in die ambulante Versorgung zu leiten, "anstatt vor allem aus Marketingzwecken Beitragsgelder für Homöopathie auszugeben".
Kassen fordern Klarheit von der Politik
Die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) forderten Klarheit von der Politik. Die Kassen stünden "zwischen Baum und Borke", sagte der Chef des AOK-Bundesverbands, Martin Litsch, der Funke-Mediengruppe. Nach Expertenmeinung gebe es keinen Nachweis in methodisch hochwertigen Studien für die Wirksamkeit, Homöopathie werde aber von einem Teil der Bevölkerung nachgefragt. Wie in Frankreich sei daher der Gesetzgeber gefragt. "Dann müsste er Homöopathie als zusätzliche Leistung der Krankenkassen explizit ausschließen."
SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach hatte sich kürzlich gegen eine Kostenerstattung von Homöopathie ausgesprochen. "Wir müssen in der GroKo darüber reden", sagte er dem "Tagesspiegel". Es sollten auch freiwillige Leistungen der Kassen wirtschaftlich und medizinisch sinnvoll sein. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA), der über die Leistungen der gesetzlichen Kassen entscheidet, unterstützte dies.
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