Und sie bewegt sich doch. Angela Merkel mischt sich unter die Leute und tut das, was nötig ist. Die Kanzlerin erklärt ihre Politik und deren weltweite Zusammenhänge. Vor allem Europa, dieses sperrige Thema, versucht sie den Zweiflern nahezubringen. Aber letztlich dominieren im aktuellen Bürgerdialog doch wieder Skepsis und die alles überwölbende Frage: Wer darf kommen, wer nicht?
Es war höchste Zeit zu reden. Immer neue, unfassbare Fälle von Asylmissbrauch tauchen auf, die den Eindruck von Kontrollverlust des Staates verstärken. Zugleich herrschen in Schulen, Kitas, Krankenhäusern und Pflege eklatante Versorgungsprobleme, die eigentlich vorhersehbar waren. Merkel weiß, dass diese oft nur gefühlte, aber zu Teilen auch tatsächliche Unordnung ihre Autorität schwächt. Zudem hat die Regierungschefin sich im unseligen Asylstreit mit der CSU dem Vorwurf ausgesetzt, stur ihren Kurs offener Grenzen durchzuziehen. Die da oben, wir da unten – war die verheerende Wahrnehmung, und das hat sowohl der CSU als auch der CDU Sympathieverluste gebracht.
Das Bürgergespräch von Jena zeigt: Merkel bemüht sich um Schadensbegrenzung. Denn es könnte für die CDU-Chefin auch parteiintern eng werden, wenn sie sich im Dezember erneut zur Wiederwahl stellt. Solange die Kanzlerin zuverlässig für stabile Umfragewerte sorgt, stellt niemand sie infrage. Aber wenn das nicht mehr so ist, könnten selbst hohe internationale Wertschätzung und exzellente Detailkenntnisse über nahezu jedes Problem Merkel möglicherweise nicht mehr schützen.