Mysteriöser Vermisstenfall Mutter und Tochter in München verschollen: Was wir wissen – und was nicht

Von Christian Ströhl | 23.07.2019, 13:23 Uhr

Seit mehr als einer Woche gelten eine 41-Jährige und ihre Teenager-Tochter in München als vermisst. Die Mordkommission ermittelt und hat mittlerweile den Ehemann der Frau festgenommen.

Es begann als Vermisstenfall, jetzt ermittelt die Mordkommission: Gut eine Woche nach dem Verschwinden einer Mutter und ihrer Tochter in München glaubt die Polizei nicht mehr daran, die beiden lebend zu finden.

„Wir gehen aktuell davon aus, dass Mutter und Tochter tot sind.“
Marcus da Gloria Martins, Chefsprecher des Münchner Polizeipräsidiums

Was wir wissen

Der Verdächtige: Der neue Ehemann der Mutter, mit dem sie seit rund einem Jahr verheiratet war, ist tatverdächtig und sitzt seit Sonntag in Untersuchungshaft. Der 44 Jahre alte Deutsch-Russe schweigt zu den Vorwürfen. Der Haftbefehl laute auf "Totschlag in Tatmehrheit mit Mord". Welche Indizien für die Beamten für Mord und gegen den Mann sprechen, verriet die Münchener Polizei "aus ermittlungstaktischen Gründen" noch nicht.

Die Ermittlungen: Die 41-jährige Münchnerin und ihre 16 Jahre alte Tochter gelten seit dem 13. Juli als vermisst. Laut einer Vermisstenanzeige des inzwischen verdächtigen Stiefvaters sollen sie die gemeinsame Wohnung im Stadtteil Ramersdorf verlassen haben, um in einem Einkaufscenter shoppen zu gehen.

Nach der Festnahme des 44-Jährigen am Sonntagabend geht die Polizei in die Offensive: Sie veröffentlichte am Montag ein Foto des Verdächtigen in blau-weiß kariertem Hemd und hellen Shorts. Zudem gab sie Bilder von den beiden Fahrzeugen der Familie – von einem roten Hyundai i30 und einem anthrazitfarbenen VW Tiguan – heraus. Sie hofft auf Zeugen, die den Verdächtigen oder die beiden Frauen von Freitag, 12. Juli, bis Sonntag, 14. Juli, gesehen oder sonstige Hinweise für die Beamten haben. "Der Busfahrer, der Taxifahrer, derjenige, der mit dem Hund spazieren geht" – sie alle seien gefragt, sagte da Gloria Martins. Sie könnten sich bei jeder Polizeidienststelle melden.

Was wir nicht wissen

Das Ziel: Ob Mutter und Tochter jemals am Einkaufscenter ankamen und ob sie sich überhaupt jemals auf den Weg dorthin machten, ist laut da Gloria Martins unklar. Von ihnen fehle jede Spur, an der Darstellung des Mannes gebe es Zweifel.

„Wir gehen davon aus, dass die Aussagen, die im Rahmen der Vermisstenanzeigen gemacht wurden, Plausibilitätslücken haben“
Polizeisprecher da Gloria Martins

Die Angaben des Ehemannes, seine Frau und ihre Tochter seien zum Einkaufen aufgebrochen, "kann so durch Dritte nicht bestätigt werden".

Das Motiv: Mutter und Tochter galten nach früheren Mitteilungen der Beamten als zuverlässig. Daher sei ihr Verschwinden ebenso untypisch wie die Tatsache, dass sich die beiden seit Tagen bei niemandem gemeldet hätten. Infolgedessen startete die Polizei die Suche. Das Kommissariat 11 des Polizeipräsidiums München übernahm zunächst die Suche und richtete eine Ermittlungsgruppe namens "EG Duo" ein.

Kann der Fall aufgeklärt werden?

Der Kriminologe Christian Pfeiffer sagte, in rund 70 Prozent der Fälle, in denen Frauen getötet werden, seien Täter die Partner oder Ex-Partner.

„Der gefährlichste Mann im Leben einer Frau ist der Ehemann oder der feste Partner. Da droht die höchste Gefahr, dass man getötet wird, dass man vergewaltigt wird, dass man zusammengeschlagen wird.“
Kriminologe Christian Pfeiffer

Gerade bei den Tötungsdelikten sei das Risiko in den vergangenen 20 bis 30 Jahren nur geringfügig gesunken, sagte der ehemalige Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen. Die Aufklärungsquote der Polizei bei solchen Fällen liege bei mehr als 95 Prozent. Häufiges Motiv sei, dass der Mann die Frau für immer "besitzen wolle, sie nicht gehen lassen wolle. Das muss die Polizei nun aufklären."

Zeugenaufruf: Personen, die sachdienliche Hinweise geben können, werden gebeten, sich mit dem Polizeipräsidium München, Kommissariat 14, Tel. 089/2910-0, oder jeder anderen Polizeidienststelle in Verbindung zu setzen.

Mit Material der dpa

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