Flugzeuge voller Geld, bestialische Folter und Morde – im Prozess gegen den Drogenboss Joaquin Guzmán, genannt "El Chapo", hörte die Jury schockierende Zeugenberichte. Im Februar fiel das Urteil, am Mittwoch verkündete der Richter das Strafmaß.
Der mexikanische Drogenboss Joaquín "El Chapo" Guzmán muss lebenslang ins Gefängnis. Dieses Strafmaß verkündete Richter Brian Cogan am Mittwoch in New York. In einem der größten Prozesse zu Drogenkriminalität in der Geschichte der USA hatte eine Jury "El Chapo" im Februar in allen zehn Anklagepunkten für schuldig befunden. Die nach US-Bundesrecht zulässige Todesstrafe war nach einer Absprache zwischen Mexiko und den USA ausgeschlossen worden.
Mehr als 54 Zeugen haben in dem Mammutverfahren gegen den langjährigen Boss des mächtigen und blutrünstigen Sinaloa-Kartells ausgesagt. Die meisten der Zeugen sitzen in US-Gefängnissen ein. Unter ihnen waren frühere Partner und Mitarbeiter sowie eine Ex-Geliebte des 61-jährigen Angeklagten. Die Anklage sprach in ihrem Schlussplädoyer von einer "Flut von Beweisen" gegen Guzmán, dessen Verteidiger attackierte die Zeugen hingegen als chronische Lügner. Fest steht, dass die Geschworenen in dem Prozess viele spektakuläre und dramatische Zeugenaussagen zu hören bekamen:
Das Kartell und der Präsident

Laut Anklage soll das Sinaloa-Kartell unter seiner Führung zwischen 1989 und 2014 fast 155 Tonnen Kokain und große Mengen andere Drogen in die USA geschmuggelt haben. Die Drogenlieferungen des Kartells wurden laut vielfachen Zeugenaussagen mit dem Wissen zahlloser mexikanischer Polizisten, Militärs und Regierungsmitarbeiter abgewickelt. Dafür sollen teilweise enorme Bestechungsgelder geflossen sein – bis hin an die Staatsspitze.
Der frühere mexikanische Präsident Enrique Peña Nieto soll vom Sinaloa-Kartell rund hundert Millionen Dollar erhalten haben, dies sagte der kolumbianische Drogenhändler Alex Cifuentes aus. Der frühere Büroleiter Peña Nietos wies die Anschuldigung zurück.
Die Komplizen in Chicago
Die Zwillingsbrüder Pedro und Margarito Flores leiteten die Filiale des Kartells in der drittgrößten US-Stadt. Sie verteilten die aus Mexiko angelieferten Drogen in den Vereinigten Staaten, wie Pedro Flores aussagte.
In den Jahren 2005 bis 2008 hätten sie von Guzmán und dem Ko-Anführer des Kartells, Ismael "El Mayo" Zambada, 38 Tonnen Kokain und 200 Kilogramm Heroin erhalten. Nachdem sie sich der Polizei gestellt hatten, zeichneten die Brüder heimlich dutzende Telefonate mit Guzmán auf.
Flugzeuge voller Dollar

"El Chapo" soll mit dem Drogenhandel Milliarden verdient haben. Bei Guzmán sollen an manchen Tagen bis zu drei mit Bargeld beladene Flugzeuge aus den USA eingetroffen seien. Das sagte dessen früherer Pilot und Geschäftsführer Miguel Ángel Martínez – Beiname: "El Gordo" (Der Dicke) – aus. Jedes Flugzeug habe acht bis zehn Millionen Dollar transportiert.
Folter und Mord

"El Chapo" soll laut Anklage für bis zu 3000 Morde verantwortlich sein. Dabei soll er die bestialischen Gewaltverbrechen des Kartells nicht immer seinen Schergen überlassen haben. Isaías Valdez Ríos, ein früherer Leibwächter des Drogenbosses, sagte aus, er habe gesehen, wie "El Chapo" persönlich drei rivalisierende Drogenhändler gefoltert und exekutiert habe. Einen von ihnen habe er lebendig verbrannt.
Andere Zeugen waren nach ihren Schilderungen dabei, als Guzmán die Entführung oder Ermordung von Rivalen angeordnet habe – oder auch von Polizisten, die sich geweigert hätten, Bestechungsgelder anzunehmen. Die Leibgarde des Kartellbosses bestand Zeugenaussagen zufolge aus etwa hundert Mann, die außer mit Pistolen und Schnellfeuerwaffen auch mit Panzerfäusten, Granaten und Raketenwerfern ausgerüstet waren.
Zeuge Jesus Zambada García sagte aus, "El Chapo" habe immer wieder Menschen wegen Nichtigkeiten töten lassen. Beispielsweise habe er das frühere Kartellmitglied Rodolfo Carrillo Fuentes erschießen lassen, weil er ihm nicht die Hand reichen wollte. Guzmán und Fuentes seien Rivalen gewesen. Ein Partner von Guzmán habe dann ein Versöhnungstreffen verabredet – aber Fuentes wollte die ausgestreckte Hand von Guzmán nicht ergreifen. Kurz darauf wurden Fuentes und seine Ehefrau vor einem Kino erschossen.
Mindestens fünf weitere Menschen habe "El Chapo" aus ähnlich nichtigen Gründen umbringen lassen. Um selbst töten zu können, habe der Kartellboss unter anderem eine diamantenbesetzte Pistole mit seinen Initialen – "JGL" für seinen vollständigen Namen Joaquín Guzmán Loera – besessen.
Der tote Journalist

Javier Valdez war einer der bekanntesten mexikanischen Journalisten, die zum Drogenkrieg recherchierten. Er wurde im Mai 2017 im Alter von 50 Jahren erschossen. Dámaso López Núñez, ein früherer hochrangiger Mitarbeiter Guzmáns, sagte aus, dass Valdez von den Söhnen Guzmáns getötet worden sei – weil er trotz der Drohungen des Kartells an der Veröffentlichung eines brisanten Interviews festhielt.
Die Ex-Geliebte

Lucero Guadalupe Sánchez López war nach eigener Schilderung 21 Jahre alt, als sie "El Chapo" kennenlernte. Er habe eine Affäre mit ihr begonnen, als seine Frau gerade mit Zwillingen schwanger war.
Sie habe gedacht, es sei "eine romantische Beziehung", sagte Sánchez López. Doch Guzmán habe sie in den Drogenhandel eingespannt. Er habe sie ins "Goldene Dreieck" zwischen den mexikanischen Bundesstaaten Durango, Sinaloa und Chihuahua entsandt, um dort Marihuana einzukaufen. Sie habe Flugzeuge mit bis zu 400 Kilogramm der Droge beladen lassen. Für diese Arbeit sei sie nie bezahlt worden, sagte die Zeugin.
Zwei Mal aus dem Gefängnis entkommen
Guzmán, der wegen seiner Körpergröße von 1,64 Meter den Spitznamen "El Chapo" ("der Kurze") trägt, war bisher in einem Hochsicherheitsgefängnis in New Yorks Stadtteil Manhattan eingesperrt. In Mexiko gelang es dem Ex-Drogenboss bereits zwei Mal, aus dem Gefängnis auszubrechen: 2001 entkam er in einem Wäschekorb und 2015 durch einen Tunnel, den Komplizen bis unter seine Zelle gegraben hatten.
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