SPD-Chef Sigmar Gabriel sieht sich wegen des geplanten Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung mit heftigem Widerstand aus Nordrhein-Westfalen konfrontiert. Der Ungehorsam im mitgliederstärksten Landesverband wächst. Auf einem Konvent soll sich die Parteiführung mit den Einwänden befassen.
Im größten Landesverband der SPD widersetzen sich einflussreiche Genossen dem Beschluss des Bundeskabinetts zur Vorratsdatenspeicherung. Christina Kampmann, SPD-Bundestagsabgeordnete aus Bielefeld, sieht Mittel und Zweck in einem schiefen Verhältnis. „Zahlreiche Unterbezirke haben sich gegen die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen“, sagt Kampmann, „wir können diese Meinung in der Bundestagsfraktion nicht einfach ignorieren.“
Veith Lemmen, Mitglied im SPD-Landesvorstand, hat als ehemaliger Juso-Vorsitzender in NRW maßgeblich an einem Beschluss zur digitalen Freiheit mitgearbeitet. Darin lehnt die NRW-SPD „die anlasslose und massenhafte Speicherung von Telekommunikations- und Verbindungsdaten als einen unzulässigen Eingriff in die Privatsphäre und die informationelle Selbstbestimmung“ ab. Die Vorratsdatenspeicherung widerspreche außerdem dem sozialdemokratischen Verständnis eines offenen, demokratischen Staates, in dem „die Freiheit und Privatsphäre jedes Einzelnen angemessen gewahrt“ werde. Darauf hatten sich die nordrhein-westfälischen Sozialdemokraten auf ihrem Kölner Parteitag im vergangenen Herbst geeinigt. „Ich fühle mich nach wie vor daran gebunden“, sagt Lemmen.
„Menschen in der EU unter Generalverdacht“
Im Umfeld von SPD-Chef Gabriel argumentiert man mit einem Beschluss des Bundesparteitags für die Überwachung aus dem Jahr 2011. Seither habe sich jedoch „Entscheidendes getan“, wendet Kampmann mit Blick auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs ein, wonach die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung gegen die Grundrechte verstößt. „Deshalb stimmen wir Gabriel in seiner Haltung nicht zu“, sagt sie. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), lange ein entschiedener Gegner der Vorratsdatenspeicherung, habe zwar „alles rausgeholt“, allerdings sei die Lage dieselbe: „Die anlasslose Speicherung stellt die Menschen in der EU unter Generalverdacht.“ Aus Lemmens Sicht stehen Gabriels Pläne „unserem Beschluss diametral entgegen“.
In drei Wochen treffen sich die Sozialdemokraten zu einem Parteikonvent im Willy-Brandt-Haus. Von den 200 Delegierten kommen 48 aus Nordrhein-Westfalen. „Ich nehme eine Stimmung in der Partei wahr, die noch über die jüngsten Positionierungen der Unterbezirke und Ortsvereine gegen die Vorratsdatenspeicherung hinausgeht“, sagt der medienpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion in Düsseldorf, Alexander Vogt. „Die Parteiführung sollte die Voten ernst nehmen und sich mit den Anträgen auf dem Konvent auseinandersetzen.“