Der Ministerpräsident auf Landpartie Sorgen der Dörfler bestimmen Weils Sommerreise

Von Klaus Wieschemeyer | 04.07.2019, 19:20 Uhr

In der Bundespolitik taucht Niedersachsens Ministerpräsident Weil hauptsächlich als möglicher SPD-Bundeschef auf. Bei der Sommertour durch das ländliche Ostniedersachsen bewegen andere Themen die Menschen.

Ob Stephan Weil SPD-Bundeschef werden will? Interessiert die Menschen hier nicht. Zumindest fragen sie ihn nicht: Nicht auf dem Bauernhof der Familie Fromhagen in Sprakensehl im Kreis Gifhorn noch vor dem Dorfgemeinschaftshaus in Dahlum am Elm. Und auch nicht in der Whiskymanufaktur Hammerschmiede in Zorge im Harz. Die Leute im ländlichen Osten Niedersachsens haben an diesem 3. Juli andere Sorgen, die sie dem Ministerpräsidenten auf seiner Sommerreise nach Hannover mitgeben wollen. Beim Sommerfest der niedersächsischen Landesvertretung zwei Tage zuvor in Berlin kam kaum ein Gespräch mit oder über Weil ohne die SPD-Frage aus – hier bewegt anderes die Menschen.

Bauersfrau und Bürgermeisterin Christiane Fromhagen beklagt sich, dass Sprakensehl seit acht Jahren einen Windpark will, die Planer in der Region aber kein Stück vorankommen. Dabei könne das verschuldete Dorf das Geld der Windräder gut brauchen, um bröckelnde Straßen instand zu setzen und den Landbesitzern ein Zubrot zu verschaffen. Die Fläche habe generell keine große Lobby in der Politik, findet Fromhagen: "Die Fläche ist unterrepräsentiert in allen Gremien", sagt sie.

Medizinmobil mit wackliger Finanzierung

Die Dahlumer möchten, dass ihr Sozio-Med-Mobil auf Dauer erhalten bleibt: Seit zwei Jahren ist der Gemeinschaftsfahrdienst in der Samtgemeinde Elm-Asse unterwegs, um Bedürftige kostenlos zum Arzt zu fahren und Beratung in die 33 an der Grenze zu Sachsen-Anhalt verstreuten Dörfer zu bringen. "Das hier ist etwas, was der ländliche Raum braucht", sagt Mobil-Nutzerin Helga Stiegler aus dem früheren Bergarbeiterdorf Wittmar. Zwar gilt das Mobil als Erfolg, die Kreise Wittmund und Stade wollen es ebenfalls starten. Doch die Finanzierung ist wacklig, gerade erst wurde sie um ein Jahr verlängert.

Mit Klagen und Forderungen haben es Alexander Buchholz und Martina Röhrer nicht so: Sie brennen seit 2002 in ihrer Spirituosenmanufaktur im Harz regionalen Whisky, und das Geschäft brummt. Die 40 000 Flaschen Jahresproduktion sei schnell ausverkauft, insgesamt bringt die "Hammerschmiede" der beiden zehn Mitarbeiter in Lohn und Brot. Doch auch wenn es bei den Brennern gut läuft, drumherum ist es nicht so: Wenn der Spielplatz in Zorge neue Geräte brauche oder die Kommune am Jahresende kein Geld für Weihnachtsbäume an der Straße habe, springe das Unternehmen oft ein. Für Alexander Buchholz eine Selbstverständlichkeit: "Die Region gibt uns so viel, da wollen wir auch was zurückgeben", sagt er.

Gehört der ländliche Raum ins Grundgesetz?

Die alljährliche Sommertour Weils geht in diesem Jahr nicht zufällig über die Dörfer: Thema der Reise ist der ländliche Raum, und dessen Probleme sind vor allem im Südosten des Landes unübersehbar. Die Wege sind weit, die Dörfer leer. Gerade haben die Landkreise gefordert, die Rettung des ländlichen Raums als Auftrag ins Grundgesetz aufzunehmen. Davon hält Weil wenig: "Wir sollten uns da nichts vormachen. Das Grundgesetz ersetzt nicht die praktische Politik", sagt er.

Zwar gebe es wegen der Verschiedenartigkeit der Regionen kein Patentrezept. Doch fast überall gehe es um die medizinische Versorgung und die Infrastruktur. "Wir brauchen flächendeckende Glasfasernetze. Und wir benötigen den 5G Mobilfunk-Standard nicht nur in den Ballungsräumen, sondern tatsächlich an jeder Milchkanne. Insbesondere wenn die Landwirtschaft umweltfreundlicher werden soll, führt kein Weg an der Digitalisierung vorbei", sagt Weil.

Grundsätzlich sieht der Ministerpräsident aber nicht düster für den ländlichen Raum: „Noch vor wenigen Jahren war der Blick der Forscher in die Zukunft schwarz auf schwarz. Inzwischen stellen sich die Prognosen viel freundlicher dar", sagt er. Und besucht im strukturschwachen Osterode im Harz mit Christ-Sigma einen florierenden MIttelständler, der weltweit für Zentrifugen und Gefriertrockner bekannt ist.

Apropos Krise: Von der Frage nach dem SPD-Vorsitz bleibt er übrigens trotzdem nicht verschont. Nicht die Bürger fragen ihn, sondern die mitreisenden Journalisten. Und er gibt wie üblich ausweichende Antworten.

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