Niedersachsens Pflegekammer hat im vergangenen Jahr einen Jahresüberschuss von 6,18 Millionen Euro erwirtschaftet. Der Betrag steht aber laut Kammer auf dem Papier: Tatsächlich fehlten Millionen.
Niedersachsens umstrittene Pflegekammer hat 2018 mit einem Jahresüberschuss von 6,182 Millionen Euro abgeschlossen. Das geht aus dem Jahresabschluss des Gremiums hervor, die bereits Ende Juni bei einer Kammerversammlung in Hannover vorgestellt wurde.
Der aus Forderungen an die Mitglieder errechnete Überschuss existiert der Kammer zufolge „lediglich auf dem Papier“, sagte Kammersprecher Tino Schaft. Grund: Die Kammer konnte erst Ende 2018 mit der Erhebung der Beiträge für die 94 847 Pflichtmitglieder beginnen. Damit zählen die Forderungen zwar für das vergangene Jahr, die tatsächlichen Zahlungen werden aber erst in diesem Jahr erwartet. Bis Jahresende 2018 seien lediglich etwa Beiträge in Höhe von 4000 Euro in die Kammerkasse geflossen. „Tatsächlich ergab sich für 2018 sogar ein Fehlbetrag in Höhe von knapp 2,4 Millionen Euro“, sagte Schaft unserer Redaktion.
FDP fordert Rückzahlung an Mitglieder
Die FDP kritisiert, dass der Kammerhaushalt eigentlich mit niedrigeren Einnahmen gerechnet hatte. „Es ist ein Skandal, wenn die einzige Erfolgsmeldung der Pflegekammer in diesem Jahr darin besteht, dass man den Mitgliedern unglaubliche 6 Millionen Euro mehr abgenommen hat, als nötig“, sagte der Landtagsabgeordnete Björn Försterling unserer Redaktion. Dass die Kammer bei der am Freitag eingesetzten Konzertierten Aktion Pflege von Sozialministerin Carola Reimann nicht dabei war, sei ein Zeichen: „Scheinbar hat jetzt auch die Sozialministerin erkannt, dass die Pflegekammer eben nicht die Stimme der Pflegenden ist und bezieht sie damit nicht in die Aktion Pflege mit ein. Ehrlich wäre es die Kammer aufzulösen und den Pflegekräften ihr Geld zurückzugeben“, sagte Försterling. Die FDP kündigte mehrere parlamentarische Anfragen an, um den Sachverhalt aufzuklären.
Zehntausende Selbsteinschätzungen fehlen
Die Kammer, die von Gegnern grundsätzlich abgelehnt wird, hat weiter mit fehlender Kooperation von Mitgliedern zu tun. So haben nach Kammerangaben mehr als 40 000 Mitglieder bislang keine Selbsteinstufung ihres Einkommens vorgelegt – die Kammer fordert von den Nicht-Einreichern den Höchstsatz von 140 Euro für das Jahr 2018. Auch mit Nichtzahlern gebe es weiterhin Probleme. Kritiker bemängeln die Pflichtmitgliedschaft in der Interessensvertretung. Auch in der rot-schwarzen Koalition ist die Institution in ihrer jetzigen Form umstritten: Die Landesregierung hat für das kommende Jahr eine Evaluation der Kammerarbeit angekündigt.
Unterdessen sucht die Kammer nach neuen Räumlichkeiten in Hannover: Da die Mitarbeiterzahl in der bisherigen Zentrale an der Marienstraße bald auf 34 steige, sei die Grenze der Kapazität erreicht.