Braucht es ein Handyverbot an Schulen? Niedersachsen Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) schlägt einen anderen Weg ein.
In Niedersachsen hält die Landesregierung nichts von einem generellen Handyverbot an Schulen. „Es gibt keine Pläne, Smartphones in Schulen zu verbieten – auch nicht für Grundschulen“, erklärte ein Sprecher des Kultusministeriums gegenüber unserer Redaktion.
Ministerin appelliert an Eltern und Lehrer
Kultusministerin Julia Willie Hamburg ergänzte: „Handys und andere digitale Geräte sind heute aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken.“ Gleichzeitig räumte die Grünen-Politikerin ein, dass Grundschüler „im Prinzip“ noch kein Handy bräuchten und gerade bei Smartphones vielfach von den Angeboten überfordert seien. Statt eines Verbotes forderte Hamburg Erziehungsberechtigte und Lehrer auf, die Kinder eng zu begleiten, „um sie an eine sinnvolle Handynutzung heranzuführen“.
Die Schulen in Niedersachsen haben nach Angaben der Ministerin Konzepte zur Bildung von Medienkompetenz, die jeweils altersgemäß ansetzten. „Für diese Arbeit stärken wir ihnen den Rücken“, betonte Hamburg.
Schulen regeln Handynutzung eigenverantwortlich
Laut Kultusministerium regeln die niedersächsischen Schulen die Mitnahme und Nutzung von Handys/Smartphones eigenverantwortlich über ihre jeweilige Schulordnung. „Unsere Schulleitungen und Lehrkräfte sind kompetent genug, dies – auch und insbesondere unter pädagogischen Gesichtspunkten – zu entscheiden und durchzusetzen“, betonte Sprecher Ulrich Schubert und ergänzte: „Über diesen Weg gibt es bereits – insbesondere an Grundschulen – teilweise Regelungen, die die Nutzung eines Handys/Smartphones in der Schule verbieten, es sei denn, eine Lehrkraft lässt dies ausdrücklich zu“.
Vorstoß aus Schleswig-Holstein
Hintergrund der Debatte ist ein Vorstoß von Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien. Die CDU-Politikerin forderte kürzlich, die Nutzung von Handys in den Grundschulen des Landes zu reglementieren. Es gehe darum, die private Nutzung während der Unterrichtszeiten zu unterbinden.
In einem Expertentalk unserer Redaktion zur Frage „Brauchen wir ein Handy-Verbot an Schulen?“ mahnte OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher, dass eine übermäßige und unregulierte Nutzung von Smartphones an Schulen sich nicht nur auf schulische Leistungen, sondern gerade auch auf soziale Fähigkeiten auswirke. Schleicher appellierte an die Politik, ihre Verantwortung wahrzunehmen und einen klaren Gestaltungsrahmen vorzugeben.
Die Pädagogin und Buchautorin Silke Müller erhob jüngst in einem Interview mit unserer Redaktion eine radikale Forderung: „Bitte kein Smartphone, bevor die Kinder 16 Jahre alt sind.“ Müller, die kürzlich ihr Sachbuch „Wir verlieren unsere Kinder: Gewalt, Missbrauch, Rassismus – Der verstörende Alltag im Klassen-Chat“ vorgelegt hatte, begründete ihre harte Haltung damit, dass sich für Kinder und Jugendliche, die ihre Smartphones ohne Beschränkungen nutzen könnten, „das Haifischbecken in voller Gänze“ öffne. „Und das Schlimme ist, dass die meisten Menschen nicht den Hauch einer Ahnung davon haben, welchen Bildern, Videos und Gefahren unsere Kinder im Netz ausgesetzt sind“, ergänzte die Leiterin der Waldschule Hatten (Landkreis Oldenburg).
Handys an Schulen: Verbote helfen nicht weiter
Handys ermöglichen aber auch einen schnellen Austausch, ermöglichen soziale Teilhabe und Zugang zu Informationen. Sie sind ein Segen.
Zeiten haben sich geändert
Genau in diesem Spannungsfeld bewegt sich auch die Debatte um ein Handyverbot an Schulen. Sicher, auch wir sind ohne Smartphone durch unsere Schulzeit gekommen. Ganz hervorragend sogar. Verabredet wurde sich entweder schon in der Schule oder am Nachmittag per Festnetz-Telefon. Auch so ein Relikt.
Heute läuft das alles etwas anders, sind Handys aus unserem beruflichen und privaten Alltag nicht mehr wegzudenken – und aus den Schulen eben auch nicht.
Statt über Verbote zu diskutieren, ist es wichtiger, bewusst mit den Geräten umzugehen. Das bedeutet, auf die Gefahren aufmerksam zu machen, aber auch die Vorteile der Technik zu nutzen.
Persönliches Gespräch statt am Handy
Was verboten ist, ist bekanntlich besonders reizvoll. Lehrer und Eltern sind gleichermaßen gefordert, Kinder und Jugendliche beim sicheren Umgang mit Handys zu begleiten und zu unterstützen. Dazu gehört ebenso, dass Lehrer dafür entsprechend geschult werden wie auch, dass Eltern mit gutem Beispiel vorangehen. Öfter mal das direkte Gespräch mit dem Nachwuchs zu suchen statt vorm Handy oder Tablet in den Weiten des Internets zu versinken, wäre ein erster Schritt.