Interview mit Vorstandsmitglied Daphne Weber Die Linke in der Krise: Ist die Partei ein Auslaufmodell?

Von Lars Laue | 14.09.2023, 01:00 Uhr 3 Leserkommentare

Die Linke schlingert. Eine, die die Partei wieder auf Erfolgskurs bringen will, ist Daphne Weber aus Lüneburg. Die 28-Jährige ist Mitglied des Linke-Bundesvorstandes und will bei der Europawahl kandidieren. Zu Sahra Wagenknecht hat Weber eine klare Meinung.

Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht erntet für die Hängepartie um ihre mögliche Parteineugründung scharfe Kritik aus den eigenen Reihen. „Ich halte es für total fahrlässig, dass sie auf dem Rücken der Wählerinnen und Wähler und der vielen ehrenamtlichen Genossinnen und Genossen momentan so viel Raum für Spekulationen gibt. Sahra ist für Die Linke gewählt worden. Es ist inakzeptabel, mit Ressourcen dieser Partei nun so eine Egonummer zu machen“, sagte Daphne Weber, Mitglied im Linken-Bundesvorstand, im Interview mit unserer Redaktion.

Rückkehr in den Landtag von Niedersachsen

Gleichzeitig formulierte Weber, die bis zum Jahr 2021 dem Linken-Landesvorstand in Niedersachsen angehörte, den Anspruch, den Wiedereinzug in den Landtag zu schaffen. „Wir wollen bei der nächsten Landtagswahl im Jahr 2027 in Niedersachsen auf jeden Fall wieder in den Landtag einziehen. Das jüngste Ergebnis hat uns enttäuscht, aber das hängt natürlich auch mit der Gesamtsituation der Partei zusammen.“

Lesen Sie hier das Interview im Wortlaut:

Frau Weber, Dauerkrise, Dauerbeschäftigung mit sich selbst, Dauerstreit mit Sahra Wagenknecht: Die aktuelle Krise bei den Linken scheint an der Existenz der Partei zu rütteln. Ist die Linke ein Auslaufmodell?


Das denke ich nicht. Es gibt eine gesellschaftliche Notwendigkeit für eine linke Partei, die die Interessen der Beschäftigten ins Zentrum stellt, für höhere Löhne und soziale Sicherheit streitet. Aber es ist natürlich richtig, dass wir ein paar interne Krisen zu bewältigen haben und Glaubwürdigkeit zurückgewinnen müssen. Wir müssen schlicht unseren Gebrauchswert erneuern.



Das müssen Sie erklären.


Die Menschen müssen mit uns verbinden, dass wir dafür stehen, das Leben der Bürgerinnen und Bürger spürbar zu verbessern. Wir haben tausende tolle Aktive in den Kreisen, die sich jeden Tag engagieren. Ich bin optimistisch, dass wir das gewuppt bekommen.



Was aber, wenn Sahra Wagenknecht tatsächlich eine eigene Partei gründet?


Dazu lese und höre ich mal dies und mal das. Es scheint völlig unklar zu sein, ob die Pläne konkret werden oder nicht.



Sollte Sahra Wagenknecht den Mut haben, sich klar zu ihren politischen Zukunftsplänen zu bekennen?

Ich halte es für total fahrlässig, dass sie auf dem Rücken der Wählerinnen und Wähler und der vielen ehrenamtlichen Genossinnen und Genossen momentan so viel Raum für Spekulationen gibt. Sahra ist für Die Linke gewählt worden. Es ist inakzeptabel, mit Ressourcen dieser Partei nun so eine Egonummer zu machen. 



„Wir wollen bei der nächsten Landtagswahl im Jahr 2027 in Niedersachsen auf jeden Fall wieder in den Landtag einziehen.“
Daphne Weber
Vorstandsmitglied der Partei Die Linke

Frau Wagenknechts Ehemann Oskar Lafontaine, der zu den bekanntesten linken Köpfen Deutschlands zählt, beklagt, dass es aktuell keine Partei gebe, die sich angemessen um die Interessen der „kleinen Leute“ kümmere.


Das ist Quatsch. Wir sind und bleiben die Partei der „kleinen Leute“.



Die aber zumindest in Niedersachsen aktuell nicht viel zu melden hat. 2008 war der Linken mit 7,1 Prozent und elf Abgeordneten der Einzug in den Landtag gelungen. In den Jahren 2013, 2017 und 2022 verpasste die Partei jeweils den Wiedereinzug. Bei der Wahl im vorigen Jahr lag der Zuspruch sogar nur bei 2,7 Prozent. Wie lautet das Ziel für die nächste Landtagswahl?


Wir wollen bei der nächsten Landtagswahl im Jahr 2027 in Niedersachsen auf jeden Fall wieder in den Landtag einziehen. Das jüngste Ergebnis hat uns enttäuscht, aber das hängt natürlich auch mit der Gesamtsituation der Partei zusammen. Wir müssen in Niedersachsen ein eigenes landespolitisches Profil ausbilden und dürfen uns nicht von Entwicklungen und Konflikten, die auf der Bundesebene stattfinden, herunterziehen lassen.



Der Wiedereinzug in den Landtag ist ein sportliches Ziel. Wie soll das gelingen? Geschlossenheit zählt ja nun auch nicht gerade zu den Stärken des Landesverbandes.

Ich nehme aus Niedersachsen derzeit keine in der Öffentlichkeit ausgetragenen Querelen wahr. Mit der Hafenarbeiterin und Betriebsrätin Franziska Junker aus Leer und mit Thorben Peters, Leiter einer Obdachlosenunterkunft in Lüneburg, haben wir zwei Leute an der Spitze, die für unsere Kernthemen soziale Gerechtigkeit und soziale Sicherheit stehen.



„Es nützt doch nichts, wenn die Reichen immer reicher werden und sich private Pools in ihre großen Gärten bauen, während öffentliche Schwimmbäder zunehmend geschlossen werden. Da muss eine Umverteilung stattfinden.“
Daphne Weber
Mitglied im Bundesvorstand der Linken

Sie treten als Kandidatin für die Europawahl im kommenden Jahr an. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?

Ich will mich da einmischen, wo jeden Tag Entscheidungen getroffen werden, die Auswirkungen auf uns alle haben. Wir haben eine massive Ungleichheit und eine enorme Spaltung zwischen Arm und Reich. Wer Europa will, muss es den Reichen und Konzernen nehmen.



Wie bitte?


Ja, wir haben Konzerne, die sich in den Krisen eine goldene Nase verdient haben. Man sollte diese Profite mit einer Übergewinnsteuer abschöpfen und umverteilen von privatem zu öffentlichem Eigentum.



Geben Sie doch mal ein Beispiel.

Ganz einfach: Es nützt doch nichts, wenn die Reichen immer reicher werden und sich private Pools in ihre großen Gärten bauen, während öffentliche Schwimmbäder zunehmend geschlossen werden. Da muss eine Umverteilung stattfinden. Geld ist da, aber am falschen Ort. 



Ein Plädoyer für den Sozialismus. Glauben Sie nicht, dass Sie mögliche Investoren und vor allem Firmen und Unternehmen damit verschrecken?


Das sind immer so Drohszenarien. Ohne die Beschäftigten sind die Unternehmen gar nichts. Deshalb müssen wir die Seite der Beschäftigten stärken.



Hört sich stark nach dem Robin-Hood-Prinzip an: Den Reichen nehmen, um es den Armen zu geben.

Ja, wir sind halt das Gegenteil der FDP und eine Partei, die immer auf der Seite derer stand und steht, die nicht den dicken Geldbeutel haben.

3 Kommentare
Michael Schmitt-Boeger
Soweit ich weiß hat sich die Linke nie von ihrer Vergangenheit der PDS distanziert. Allein das reicht aus, dieser Partei den Rücken zuzukehren. Wenn ich dann noch lese, das die Linke für höhere Löhne steht, geht mir der Blutdruck hoch. Für Löhne gibt es Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände. Den Reichen nehmen um es unter den Armen zu verteilen hat noch nie funktioniert. Siehe: Farm der Tiere. Wa...