In ihrer Wohlfühl-Komödie "Yesterday" lassen Richard Curtis (Buch) und Danny Boyle (Regie) die Beatles aus dem Gedächtnis der Menschheit verschwinden. Nur ein bis dato erfolgloser Musiker (Himesh Patel) kann sich noch an deren Songs erinnern und startet eine beispiellose Karriere als Plagiator.
Wie stünde es um unsere Welt, insbesondere um unsere Popkultur, wenn ihr ein paar entscheidende Impulse gefehlt hätten? Wenn beispielsweise John Lennon, Paul McCartney, Ringo Starr und George Harrison niemals zu den Beatles zusammengefunden hätten? Ein durchaus reizvoller Gedanke – nicht nur für Musik- und Kulturhistoriker. Auch für Filmemacher.
Warum noch niemand vorher auf diese Idee gekommen ist, bleibt wohl für immer ein Geheimnis. Aber jetzt präsentieren Drehbuchautor Richard Curtis („Radio Rock Revolution“) und Regisseur Danny Boyle („Slumdog Millionär“) ihre Sicht der Dinge. Und kreieren eine Alternativwelt, die sich im Grunde genommen gar nicht mal so sehr von der uns allen bekannten besten aller Welten unterscheidet. Was auch daran liegt, dass das Alternativweltszenario lediglich als oberflächliche Kulisse für das beliebte Kassenknüllergenre einer Liebes- und Wohlfühlkomödie dienen soll. Weswegen „Yesterday“ noch lange kein schlechter Film sein muss.
Der eigentliche Plot beginnt damit, dass der erfolglose Musiker Jack Malik (Himesh Patel) einen von mysteriösen Umständen begleiteten Unfall erleidet. Während auf der gesamten Welt für exakt zwölf Sekunden der Strom ausfällt, wird er von einem Bus angefahren. Als er im Krankenhaus wieder zu sich kommt, merkt er noch nichts von irgend einer Veränderung.
Beatles? Welche Beatles?
Seine beste Freundin und Managerin Ellie (Lily James) ist bei ihm. Seine Kumpel ziehen ihn wegen der zwei fehlenden Vorderzähne auf. Dann sitzt man wieder zusammen, trinkt Bier und bittet ihn, etwas auf der Gitarre zu spielen. Er entscheidet sich für „Yesterday“ von den Beatles. Beatles? Welche Beatles?
Eine Online-Suche bringt es an den Tag. Die Beatles hat es nie gegeben. Als Jacks Verwirrung sich allmählich legt, beginnt er, die Songs der Beatles als seine eigenen auszugeben. Schon bald klopft Ed Sheeran höchstpersönlich an Jacks Haustür. Und dank dessen geldgieriger Managerin Debra Hammer (Kate McKinnon) wird aus dem erfolglosen Musiker in Windeseile ein globaler Superstar. Aber irgendwie bleibt da die Liebe auf der Strecke...
Auch wenn die Komödie „Yesterday“ viel Potenzial verschenkt, hat sie ihre Reize. Immerhin baut sie auf einen anspielungsreichen Detailreichtum, der natürlich auch einen gewissen Kenntnisstand beim Publikum voraussetzt.
"Hey Dude"
Dabei reichen die Details nicht nur in die Songtitel, von denen aus „Hey Jude“ schon mal „Hey Dude“ zu werden droht. Und weil bei Stücken wie „Eleanor Rigby“ Jacks Textsicherheit vollkommen versagt, fliegt er nach Liverpool, wo er am „Liverpool International Airport“ anstelle des uns bekannten „Liverpool John Lennon Airport“ landet. Aber was weiß schon eine Alternativwelt, in der es neben den Beatles auch nie Coca Cola, Zigaretten und Harry Potter gegeben hat?
Manchmal gelingen Curtis und Boyle regelrecht hintersinnig böse Momente, die die von fröhlicher Unbefangenheit getriebene Popkultur aus der Zeit der Beatles mit den teils verkniffenen und selbst auferlegten Tabus von heute konterkariert. Ein Album „White Album“ nennen? Das geht heutzutage aber wirklich gar nicht und würde nichts als Diversitätsprobleme schaffen.
Doch am Ende triumphiert freilich John Lennons Botschaft aller Botschaften. „All You Need is Love“. Auch wenn sie hier eher wie „Friede, Freude, Eierkuchen“ klingt und anstelle von Friedens- die Hochzeitsglocken läuten lässt, ist der Film es wert, gehört und gesehen zu werden. Nicht zuletzt wegen Robert Carlyles Gastauftritt als – ach, sehen Sie doch selbst!
Yesterday. GB 2019. R.: Danny Boyle. D.: Himesh Patel, Lily James, Sophia Di Martino, Kate McKinnon. Laufzeit: 116 Minuten. Keine Altersbeschränkung. Filmpassage, Filmtheater Hasetor.