Ausstellung in Rom Das Werk der Barock-Malerin Artemisia Gentileschi

04.12.2016, 16:52 Uhr

Artemisia Gentileschi war eine Ausnahmeerscheinung im barocken Kunstbetrieb: Frau, talentiert, erfolgreich. Am Anfang ihrer Karriere stand aber eine traumatische Erfahrung. Rom widmet ihr eine große Ausstellung.

Opfer und Rächerin, Büßerin und Märtyrerin: Es sind außergewöhnliche Frauen, die Artemisia Gentileschi (1593–1653) zum Thema ihrer Bilder machte. Außergewöhnlich wie sie selbst: Sie war begnadete Malerin und harte Managerin in einem männerdominierten Kunstbetrieb. Das römische Museum im Palazzo Braschi widmet ihr, der wohl bedeutendsten Künstlerin des Barock, eine Ausstellung mit einer ansehnlichen Werkauswahl.

Im Blick steht die künstlerische Entwicklung Gentileschis, und so folgt die Ausstellung den Lebens- und Schaffensphasen: Auf die Lehr- und Leidensjahre in der Malerwerkstatt ihres Vaters Orazio Gentileschi (1563–1639) folgt die Zeit ab 1613 in Florenz, wo sie ihren Ruf als herausragende Künstlerin festigt; dann 1620 die Rückkehr nach Rom und die Weitung des Horizontes. Schließlich die letzte, lange Phase in Neapel, unterbrochen nur durch einen längeren Aufenthalt in England, währenddessen ihr Vater in London stirbt.

Etliche Museen haben mit Leihgaben dazu beigetragen, den weiten Schaffensbogen der Künstlerin nachzuzeichnen: das Metropolitan Museum in New York, das Wadsworth Atheneum von Hartford, der Palazzo Pitti in Florenz und das Museum Capodimonte in Neapel. Ihm ist ein Bild zu verdanken, das als Schlüssel für Gentileschis Wirken und Leben gilt: „Judith und Holofernes“.

Judith und Holofernes

Das Gemälde zeigt die Enthauptung des assyrischen Feldherrn Holofernes durch die schöne Judith, die sich damit einer drohenden Vergewaltigung entzieht. Gentileschi setzt das alttestamentliche Motiv im Vergleich zu anderen – männlichen – Künstlern überaus drastisch um: Sie hält den Augenblick fest, in dem Judith in einer Mischung von Entschlossenheit und Abscheu ihrem Bedränger die Kehle durchtrennt.

Die Brutalität der Darstellung gilt als Reflex ihrer eigenen Vergewaltigung. Es war ein Mitarbeiter ihres Vaters, Agostino Tassi, der sich an ihr als 17-Jährige verging. Ein Jahr später folgte nicht weniger demütigend ein Prozess, in dem Artemisia unter Folter ihre Schilderung des Hergangs abzugeben hatte. Ihr Vater verheiratete sie mit einem anderen Maler, Pierantonio Stiattesi, um den Ruf der Familie ansatzweise zu retten.

Roter Faden im Werk

Man kann diese Erfahrung als roten Faden in ihrem Gesamtwerk sehen: Da ist, womöglich als eines ihrer frühesten Bilder, die „Susanna und die beiden Alten“, wobei die Greise, die die nackte Susanna im Bade beobachten, nach einer Kritikermeinung die Züge von Tassi und Orazio Gentileschi tragen; dann „Jael und Sisera“, die biblische Episode, nach der die Israelitin Jael dem erschöpften feindlichen Heerführer Sisera im Schlaf einen Zeltpflock durch den Schädel treibt. Da ist die „Lucretia“, die sich aus Scham über die Vergewaltigung durch König Tarquinius einen Dolch ins Herz stößt, sowie das Selbstbildnis der jungen Artemisia als Märtyrerin.

Jüngere Biographien und auch die aktuelle Ausstellung bemühen sich, Gentileschi nicht auf die Opferrolle zu reduzieren. Die Ehe mit Stiattesi hinderte sie nicht, in Florenz eine lange und leidenschaftliche Beziehung mit dem jungen Adligen Francesco Maria Maringhi anzuknüpfen. Zu ihrem Erfolg als Malerin gehört auch, dass sie sich im Geschäftsgebaren nicht zu viele Skrupel erlaubte. Im Kunstgewerbe der Epoche wurde mit harten Bandagen gekämpft, wenn es um Aufträge und Konditionen ging, und Gentileschi machte keine schlechte Figur.

Es war ein Goldenes Zeitalter der Kunst: Guido Reni, Domenichino und die Gebrüder Carracci waren in Rom aktiv. Caravaggio arbeitete in Gentileschis Jugendjahren an seinen großen Gemälden für Santa Maria del Popolo und San Luigi dei Francesi. Möglicherweise begegnete Gentileschi ihm persönlich. Jedenfalls lernte sie von seinen Werken viel für ihren dramatischen, bisweilen furchteinflößenden Umgang mit Licht und Schatten.

Ihr persönlicher Schatten verfolgte sie wohl bis zum Ende. In Gentileschis letzte Schaffensphase fällt die „Kleopatra“: die jugendliche ägyptische Königin, die auf der Höhe ihrer Macht die Tiefe des politischen Falls erlebt. Und die keine andere Wahl mehr sieht, als von der Bühne des Lebens abzutreten.

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