PUA Kiel Bericht zur Rocker-Affäre: Das Führungsversagen der Polizei

Von Eckard Gehm | 07.07.2018, 14:00 Uhr

Es gibt erste Erkenntnisse aus dem Untersuchungsausschuss um die Ermittlung gegen Rocker im Jahr 2010. Der Sonderbeauftragte der Landesregierung, Klaus Buß (SPD), stellt den Bericht zur Rocker-Affäre vor.

Nun ist es erstmals ausgesprochen, der Sonderermittler nennt es ein „eklatantes Führungsversagen“: Es ist eine höfliche Umschreibung dafür, dass Spitzenbeamte der Landespolizei in der heißen Phase des Rockerkrieges den Feldherren gaben, überzogen hart gegen Untergebene durchgriffen und es im Ringen um den Sieg wohl auch mit der Aktenwahrheit nicht so genau nahmen.

„Es gab nur Missstände und Fehler im Führungsverhalten“

Monatelang hat Ex-Innenminister Klaus Buß (SPD) untersucht, ob bei der Landespolizei rechtswidrig ermittelt wurde, es Aktenmanipulation und Mobbing gab, ja sogar Journalisten abgehört wurden. Am Freitag stellte er seinen Bericht (394 Seiten) vor. „Es gab in der Landespolizei keinen Skandal, keine Affären und keine Unterdrückung von entlastendem Beweismaterial, auch kein Abhören von Journalisten“, sagte Buß. „Aber es gab Missstände und Fehler im Führungsverhalten.“

Nach einer Messerstecherei zwischen Bandidos und verfeindeten Red Devils 2010 in einem „Subway“-Restaurant in Neumünster hatten zwei Beamte der Soko-Rocker erklärt, Vorgesetzte hätten verboten, aktenkundig zu machen, dass ein Beschuldigter Bandido gar nicht am Tatort war. Dieser Tipp war von einem V-Mann-Führer im LKA gekommen, sollte aber nicht in die Akte, um den Informanten bei den Bandidos zu schützen. Die Soko-Beamten akzeptierten das nicht.

In der Folge habe der V-Mann-Führer einen inhaltlich falschen und unvollständigen Vermerk abgeliefert, erklärte Buß und kritisierte, dass es möglich gewesen wäre, die Information so zu verschriftlichen, dass der Schutz des Informanten gewährleistet gewesen wäre. „Darauf hätten die Vorgesetzten mit der Staatsanwaltschaft hinwirken müssen.“ Stattdessen eskalierte der Streit. Die beiden Soko-Ermittler und ihre Chefs rasten wie Schnellzüge aufeinander zu, immer schriller pfeifend, aber nicht bereit, das Gleis zu wechseln. Schwierige Persönlichkeiten seien beide Seiten gewesen, sagte Buß. Die Ermittler wurden schließlich versetzt.

Der Mobbingverdacht wurde nie endgültig geklärt

„Fast die Hälfte des Berichts befasst sich mit der Frage, ob die Beamten gemobbt wurden“, betonte Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU). Buß kommt zu dem Schluss, dass es zwar einen Mobbingverdacht gab, die dienstrechtliche Untersuchung dazu jedoch nie abgeschlossen wurde. Überhaupt seien Minister und Staatssekretäre zu keiner Zeit umfassend informiert worden. Und so ist das Ergebnis in der Mobbing-Frage ernüchternd. Buß: „Da es um einen Zeitraum von mehr als sieben Jahren geht, ist eine Klärung heute nahezu unmöglich. Im Ergebnis dürfte Aussage gegen Aussage stehen.“

Ein Name, der im Zusammenhang mit den Vorwürfen immer wieder fiel, war Ralf Höhs, damals LKA-Vize und später Landespolizeidirektor. Grote hatte ihn und Jörg Muhlack, Leiter der Polizeiabteilung im Innenministerium, abgelöst. Den Empfehlungen von Buß an Grote ist zu entnehmen, dass es Kungelei an der Spitze gab. So heißt es: Bei der Besetzung der Spitzenpositionen sollte sorgfältig darauf geachtet werden, welche gemeinsame Vergangenheit die Beamten hätten und ob die nötige kritische Distanz zwischen ihnen bestehe. „Bei den Mitarbeitern darf auf keinen Fall wieder der Eindruck einer ,Block- oder Mauerbildung‘ entstehen.“

Eine Watsche gab es für die Staatsanwaltschaft Kiel, die trotz fehlender Beweise Ermittlungen gegen eine Polizistin mittrug, die das LKA als Rocker-Spitzel verdächtigte. Journalisten seien aber nicht abgehört worden.

Eine zentrale Ansprechstelle für Konflikte ist in Planung

Grote setzt jetzt mit neuem Personal an der Spitze auf Führungskultur. Er sagte: „Es wäre vieles nicht in dieser Form eskaliert, hätte man sich damals Zeit füreinander genommen“. Der Minister plant, jenseits des Dienstweges, eine zentrale Ansprechstelle für Konflikte und prüft, ob es eine eigene Abteilung für interne Ermittlungen geben sollte. Disziplinarrechtliche Konsequenzen für Polizeibeamte, etwa wegen des falschen Aktenvermerks, schließt er nicht aus.

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Letzte Überarbeitung am 02. September 2022.