
Urlaub auf zwei Rädern ist beliebt - vor allem im Fahrradland Deutschland. Aber Radler trauen sich auch wieder mehr ins Ausland. Aktuelles zu den neuen Ideen der Radreiseveranstalter, zu wieder entdeckten Zielen und neu gestalteten Routen.
Wie wird sich der Radtourismus 2023 entwickeln, lautete eine Interview-Frage an ADFC-Tourismus-Vorstand Christian Tänzler. Seine Antwort war eindeutig: „Die Radreiselust ist ungebrochen! Das „Erlebnis draußen“ steht im Ranking der Reiseinteressen ganz weit oben. Durch die Corona-Pandemie wurde das Fahrrad von vielen als neues Reiseverkehrsmittel entdeckt. Und viele „Neu-Radler“ werden dem Fahrrad treu bleiben. Was sich allerdings ändert ist die zeitliche Reise-Entscheidung. Es wird kurzfristiger gebucht, was zum Teil eine stärkere Flexibilität bei der Auswahl des Reiseziels voraussetzt und natürlich auch für die Anbieter eine Herausforderung darstellt.“
Auf die Frage, welche Regionen besonders nachgefragt sind, antwortete er: „Das Radland Deutschland ist wie viele Jahre zuvor der Bestseller. Fast 80 Prozent der Radreisenden fahren durch die Heimat. Gefragt sind immer noch sehr stark die klassischen Radregionen, wie Allgäu und Bodensee, sowie die bekannten Flussradwege an Weser, Elbe, Rhein, Main, Ruhr, Mosel und Donau. Das Thema „Radeln am Wasser“, ob am Fluss, Meer oder See steht bei der Reiseentscheidung sehr oft im Fokus. Allerdings erfreuen sich auch nicht ganz so bekannte Radregionen mit guter Infrastruktur an regem Zuspruch, wie beispielsweise das Osnabrücker Land oder das Lausitzer Seenland.“
Radland Deutschland
Deutschland hat ein großes Potenzial neben den allseits bekannten Klassiker-Regionen. Vor allem durch den anhaltenden E-Bike-Boom werden mehr und mehr die deutschen Mittelgebirge für Radreisen entdeckt. Ob im Harz oder im Westerwald, ob im Bayerischen Wald oder in der Eifel - hügelige Strecken mit vielen Höhenmetern sind kein gravierendes Reisehindernis mehr.
Auch andere Regionen, an die man beim Thema Radfahren nicht sofort denkt, werden attraktiver: „Mein persönlicher Tipp sind die Touren im Ruhrgebiet, ebenfalls eine aufstrebende Region im Bereich Radtourismus. Mit vielen „grünen Lungen“, mit gut erhaltenen Bergwerken. Aus grau wurde grün. Alles sehr überraschend,“ erklärt dazu Andreas Bunge, Geschäftsführer von Rückenwind Reisen.
Wer mehr die klassische Bilderbuch-Landschaft bevorzugt, findet im Programm von Pedalo Reisen eine neue Chiemgau-Highlights-Tour: Acht Tage und 320 Kilometer durch das sanft-hügelige Alpenvorland mit seinen vielen Badeseen und durch idyllische Alpentäler mit Stopps am Chiemsee sowie in den sehenswerten Orten Reit im Winkl, Bad Reichenhall, Berchtesgaden, Salzburg und Laufen.

Eine Empfehlung für Radler, die ungern täglich das Bett wechseln, sind Sterntouren von einem festen Urlaubsort aus. Die neue Variante dazu sind die Doppel-Sterntouren von Mecklenburger Radtouren. Die Vorpommersche Boddenlandschaft und Rügens Seebäder sind die Highlights eines solchen Wochenprogrammes. Die Tagestouren starten von zwei Standorten: von der Hansestadt Stralsund (UNESCO-Weltkulturerbe) und von den Seebädern Binz oder Sellin. Durch den Standortwechsel gewinnt die Reise an Vielfalt und Möglichkeiten. Von Stralsund aus geht es durch die attraktive Küstenregion Vorpommerns und zur Insel Hiddensee. Anschließend radelt man durch das idyllische Südrügen zu den Seebädern Sellin oder Binz.
Es muss übrigens nicht immer ein Hotel oder eine Pension als Standort für Sterntouren dienen. Eine Ferienwohnung ist für so manchen Radler die praktischere Lösung, vor allem für Familien und Selbstversorger. Der Radreiseveranstalter Velociped hat dafür ein Sechs-Tage-Individual-Package in der Mecklenburgischen Seenplatte geschnürt mit Übernachtung im MareMüritz Yachthafen Resort direkt am Seeufer und einem Roadbook für diverse Sterntouren.
Radurlaub im Ausland
„Hier sind traditionell die Nachbarländer ganz vorne, vor allem die Niederlande, Österreich, Dänemark sowie darüber hinaus Norditalien. Fernere Ziele sind weitaus weniger gefragt aufgrund der schwierigeren, längeren Anreise. Stichwort: Nachhaltigkeit! Radreise-Ziele in Übersee interessieren nur eine Minderheit von ein bis zwei Prozent,“ erklärt ADFC-Tourismus-Vorstand Christian Tänzler. Aber auch andere Länder bemühen sich verstärkt um Radurlauber, wie etwa Slowenien. Das kleine EU-Land hat eine neue, spannende Fernradroute, die Green Gourmet Route, kreiert. Im Vordergrund der für elf Radtage empfohlenen Strecke mit mehr als 400 Kilometern steht das kulinarische Erleben des Landes. Die Strecke verläuft von Ljubljana in Richtung Goriska Brda, durch das Vipava-Tal und die Region Karst, zurück durch die Hauptstadt und weiter nach Sevnica, Podcetrtek, Ptuj und Maribor. Einige Abschnitte der Route können mit der Bahn zurückgelegt werden.
Skåne heißt der Tipp für Skandinavien-Fans. Die Topografie und das Klima im südlichsten Zipfel Schwedens sind für Radfahrer ideal. Im öffentlichen Nahverkehr darf man fast überall sein Fahrrad mit an Bord nehmen, und die Vielseitigkeit der Landschaft bietet ausgezeichnete Möglichkeiten für Genussradler und sportlich Ambitionierte. Wer gleich etwas mehr von Skåne entdecken möchte, der schwenkt ein auf einen der Fernradwege, wie den Kattegatleden, fast 400 Kilometer entlang der Westküste, den 300 Kilometer langen Sydostleden oder den 260 Kilometer langen Sydkustleden.
Ein Insider-Tipp für erfahrene Reiseradler liegt am Mittelmeer: „Albanien ist eine der wenigen in Europa noch relativ unbekannten Rad-Destinationen, das heißt spektakuläre Landschaften mit Gebirgen und Adriastränden und viel Gastfreundschaft,“ empfiehlt Yörn Kreib von Natours Reisen, die dazu passende Tour-Programme anbieten.
Auch in Spanien finden sich noch recht unbekannte Radreviere. Zwischen Madrid und der portugiesischen Grenze erstreckt sich eine der unberührtesten Regionen des Landes. Castilla-La Mancha und Castilla y León gehören zu der historischen zentralspanischen Landschaft Kastilien. Einsame Naturlandschaften mit bewaldeten Bergketten und atemberaubenden Schluchten, mittelalterliche Burgen und traditionsreiche Städte bilden die Kulisse für eine geführte Wochenreise von Die Landpartie, mit sechs Radetappen zwischen 23 und 59 Kilometern Länge und insgesamt 252 Kilometer.
Selbst leidenschaftliche Langstreckenradler müssen nicht unbedingt immer alles selbst organisieren. Ein aktuelles Angebot dazu führt sie durch halb Europa: Es geht von Tallinn nach Gibraltar - Europa in der Diagonale. 5800 Kilometer von Estland nach Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Italien, Frankreich und Spanien nach Gibraltar. Wer mitradeln will, braucht neben einer gut gefüllten Reisekasse Zeit und Kondition für 57 Radtage und 15 Ruhetage. Es sind jedoch auch einzelne Abschnitte, z.B. von Barcelona nach Gibraltar buchbar.

Gravelbiken und Bikepacking
„Mit den Themen Gravelbike und Bikepacking wurde der Zeitgeist getroffen: „Raus in die Natur - auch im nahen Umfeld.“ Mit dem Radeln abseits der klassischen Routen mit kleinem Gepäck wird die Sehnsucht nach dem Draußensein gestillt - auch bei jüngeren Zielgruppen. Dieser Trend wird wohl anhalten,“ erklärt Christian Tänzler. Mehr und mehr Tourismusverbände und Radreiseveranstalter greifen das Thema auf und erarbeiten entsprechende Touren und Angebote. Vorreiter darunter sind beispielsweise die Regionen Haßberge, Schwarzwald und Tirol. Und die Outdoor-Räder mit dem Rennlenker sind in den Radgeschäften ein Verkaufsschlager.
Ob mit Trekkingrad, E-Bike oder Gravelbike auf Tour - der Fahrradtyp ist nicht so wichtig. Radreisende tun in jedem Fall etwas für ihre Gesundheit und sind klimafreundlich unterwegs. Und das sind für Radurlauber auch 2023 die wichtigsten Argumente.